Während in Amerika Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon und Seth Meyers mit ihren zum Teil täglichen Late-Night-Shows die Fernsehlandschaft prägen, übernehmen in Deutschland fünf Politik-Journalisten und -Journalistinnen den Job: Caren Miosga, Maybrit Illner, Sandra Maischberger, Markus Lanz und Louis Klamroth. Von Sonntag bis Donnerstag begleiten sie uns als „Sandmännchen für Erwachsene“ ins Bett und diskutieren mit ihren Gästen über das aktuelle politische Geschehen. Einige dieser Sendungen laufen sogar mehrfach pro Woche. Aber wie werden diese Sendungen produziert? Wie wird entschieden, welche Themen behandelt werden und wer eingeladen wird? Um genau diesen Fragen auf den Grund zu gehen, lud die Junge Presse Niedersachsen junge Medieninteressierte nach Berlin ein zu einem Seminar mit dem Titel Politiktalk im Fokus: Hinter den Kulissen von Meinung und Debatte.
Caren Miosga – Die Quotenkönigin unter den Talker*innen
Ein Highlight des Seminars war der Besuch bei der zuschauerstärksten Talkshow Deutschlands, Caren Miosga. Seit dem 21. Januar 2024 tritt sie die Nachfolge von Anne Will an. Ihr Konzept hebt sich erheblich von dem Vorgängerformat einer typischen Talkshow ab, in der mehrere Politiker*innen, Expert*innen und Journalist*innen von Anfang an in einer Runde sitzen und lautstark über ein Thema diskutieren. Bei Miosga sitzt meist im ersten Teil der Sendung ein*e Politiker*in zu einem Einzelgespräch an einem runden Tisch. Erst im zweiten Teil der Sendung kommen weitere Gäste dazu. In einem Gespräch mit der Herstellungsleiterin Nina Nickel und dem Pressesprecher Stephan Clausen wurde unter anderem die Frage diskutiert, warum man sich für dieses ungewöhnliche Format entschieden hat. Zum einen wurde das Konzept speziell auf die Moderatorin zugeschnitten, zum anderen ermögliche das Einzelgespräch zu Beginn der Sendung eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema und eine vertiefte Diskussion, als dies in herkömmlichen Talkshows üblich ist. Eine weitere Frage war: Wer bestimmt die Themen und wer lädt die Gäste ein? Die Auswahl des Themas treffe eine Redaktion aus freien und festen Redakteur*innen. Für die Gästewahl sei eine separate Redaktion zuständig, die die Gäste anfragt. Darüber hinaus gebe es eine Social-Media-Redaktion, bestehend aus zwei bis drei Mitarbeitende der Redaktion.
Maischberger – Das Urgestein unter den Politiktalks
Um einen vielfältigen Eindruck dieses Genres zu bekommen, war ein weiteres Highlight der Besuch der Talkshow Maischberger. Sandra Maischberger ist die dienstälteste Talkshow-Moderatorin im deutschen Fernsehen. Seit dem 2. September 2003 präsentiert sie in der ARD ihre Sendung Maischberger. Auch sie setzt seit 2019 auf ein ungewöhnliches Talkshow-Konzept. Anstatt eines einzelnen Themas behandelt sie mit verschiedenen Gästen mehrere Themen. Zwischen den Gesprächen mit Politiker*innen und Expert*innen lässt sie die Themen durch Journalist*innen kommentieren. Im Vergleich zu Caren Miosga bleibt durch die Anzahl der Themen kaum Zeit, um tief in einzelne Aspekte einzutauchen. Es werden meistens die Hauptaspekte beleuchtet und dann gezielt versucht, kurze, prägnante Aussagen von Gästen zu bekommen. Das führt dazu, dass Maischberger die Gäste häufiger unterbricht. In der besuchten Sendung wurde dies besonders deutlich, als sie mit dem SPD-Politiker Ralf Stegner und dem Militärexperten Carlo Masala über den außenpolitischen Kurs der SPD diskutierte. Bei einer Passage aus einem Positionspapier einer Gruppe SPD-Politiker*innen rund um Stegner, in dem es hieß: „In Deutschland haben sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und mit hunderten von Milliarden Euro für Ausrüstung suchen“, wollte Sandra Maischberger wissen, ob mit diesem Zitat auch seine Parteikollegen Lars Klingbeil und Boris Pistorius gemeint waren. Als sie merkte, dass Ralf Stegner nicht auf ihre Frage einging, unterbrach sie ihn mehrfach und beharrte auf eine Antwort. Ein weiterer Unterschied bei Sandra Maischberger ist, dass auch Prominente wie Hape Kerkeling, Dieter Nuhr, Uli Hoeneß oder Howard Carpendale zu Gast sind.
Ein Genre, aber zwei unterschiedliche Konzepte
Beide Sendungen, moderiert von Frauen und ausgestrahlt in der ARD, gehören zu den erfolgreichsten Formaten ihres Genres. Doch die Gemeinsamkeiten enden hier. Caren Miosga setzt auf Schlichtheit und konzentriert sich auf ein Thema, um auch weniger beachtete Aspekte des politischen Diskurses zu beleuchten. Im Gegensatz dazu bleibt bei Maischberger aufgrund der Vielzahl der Themen nicht genügend Zeit, ein Thema umfassend zu behandeln. Es bleibt nur Zeit für die wesentlichen Aspekte eines Themas. Im Vergleich zu Miosga ist Maischbergers Format boulevardesker, was durchaus mehr dem aktuellen Zeitgeist der jungen Generation entspricht, in dem Social-Media-Nutzer*innen mit einer Fülle von Informationen in kürzester Zeit versorgt werden. Dies wurde auch von vielen der teilnehmenden Personen, die als Studiogäste dabei waren, so empfunden. Während bei Caren Miosga zwischendurch das Gefühl einer Langatmigkeit aufkam, besonders bei den trockenen Teilen der Sendung, gab es bei Maischberger durch die Anzahl der Themen und der Schnelligkeit der Themen immer etwas Neues zu erfahren. Diese Vielzahl an Themen birgt jedoch auch eine Gefahr: Durch die begrenzte Zeit besteht die Gefahr, dass die Themen nicht in ihrer ganzen Tiefe und Genauigkeit betrachtet werden. Beide Formate zeigen, wie wichtig es in der heutigen Medienlandschaft ist, die Balance zwischen tiefgehender Auseinandersetzung und schneller Themenvielfalt zu finden, was jeweils eigene Herausforderungen mit sich bringt.
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