Künstliche Intelligenz im Gerichtssaal
Wall-E im Einsatz für Gerechtigkeit – So in etwa stellen sich viele Menschen die Zukunft vor. Automatisierte Prozesse machen auch vor dem Gerichtssaal keinen Halt. Bietet künstliche Intelligenz gewinnbringende Innovation? Wird Paragraphen-Büffeln bald überflüssig und Maschinen besetzen die Richter*innenbank?
Fakt ist, es herrschen Vorbehalte gegenüber der Anwendung künstlicher Intelligenz in der Urteilsfindung: „Moderne Technik kann bei der Rechtsprechung zum Teil assistieren, sie kann jedoch nie die Entscheidung von Richtern ersetzen“, gibt der Rostocker Oberlandesgerichtspräsident Kai-Uwe Theede gegenüber der DPA zu bedenken. Mündliche Verhandlungen seien von großer Bedeutung. Nicht alle Sachverhalte könnten rein systematisch geklärt werden. Richterinnen sollten laut Theede schlussendlich über die Entscheidungsgewalt verfügen. Das gibt auch das deutsche Grundgesetz vor. Dort heißt es, dass die richtende Kraft menschlich sein muss. Auch für Professor Heribert Anzinger vom Institut für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung der Universität Ulm spielt der Mensch weiterhin die tragende Rolle im Urteilsprozess: „Menschen müssten schon in den Entscheidungsvorgang selbst einbezogen werden, um zu gewährleisten, dass nur Menschen über Menschen richten“. Juristinnen sollten die Funktionsweise der Algorithmen verstehen und über IT- und Statistikkenntnisse verfügen. Nur so seien Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz maschinell getroffener Urteile gewährleistet. In den USA wird zum Beispiel ein Algorithmus eingesetzt, der die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftäter*innen bewertet. Kritik gibt es an dessen Intransparenz, denn die Entstehung des Algorithmus wird nicht offengelegt.
Zudem kann es bei Einzelfallentscheidungen zu Komplikationen kommen. Automaten werden zwar mit einer riesigen Datenmenge gefüttert, doch handeln sie nach Mustern und nicht mit Einfühlungsvermögen bzw. Menschlichkeit.
Auf der anderen Seite wahrt künstliche Intelligenz die Gleichheit vor dem Gesetz, indem eben solch rationale Entscheidungen getroffen werden. In gewissen Bereichen der Rechtsfindung und Rechtsprechung, wie dem Familien- und Steuerrecht, werden deshalb bereits Algorithmen verwendet. Bei Fällen mit wenigen Entscheidungsparametern wie im Straßenverkehrsrecht könnte künstliche Intelligenz auch zukünftig Anwendung finden. Da Maschinen eine große Informationsflut schneller verarbeiten und einordnen, würden sie eine große Entlastung darstellen. Dies ist insbesondere hinsichtlich der finanziellen Einsparungen in der Justiz sinnvoll.
Sehen wir Wall-E also bald im Gerichtssaal den Richter*innenhammer schwingen? Kurzgesagt: Eine vollständige Digitalisierung des Rechts ist derzeit sehr unwahrscheinlich. Künstliche Intelligenz wird in naher Zukunft nicht eigenständig in richterlichen Prozessen urteilen, kann jedoch bei der Entscheidungsfindung unterstützen.
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