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Innovation

Die Macht der Ideen – zulasten negativer Folgen?

Bist du bei der FDP richtig, wenn du ein innovatives und freiheitliches Deutschland möchtest?

Brauchen wir noch Utopien? Es scheint, als hätten wir die Endstation einer langen Reise erreicht. Eine freiheitliche Demokratie, in welcher der autonome Konsument nicht aufgehalten wird, nach eigenem Ermessen zu handeln oder es zu unterlassen. Hingeben sollen sich die Menschen einer vollendeten Utopie, in der sich Parteien darum kümmern, hier und da ein weiteres Problem zu lösen. Brauchen wir dann noch Utopien? Welche Rolle spielt die Innovation? Egal ob Rechte oder Linke – einen Zukunftsplan scheinen sie alle nicht zu haben. Auch wenn die FDP dies vorgibt.
Die Zahlen zeigen ganz eindeutig: im Schlaraffenland sind wir noch lange nicht angekommen, auch wenn die Welt vielleicht eine ganz andere ist, als sie es zur Zeit der Pest und der Hexenverbrennung des Mittelalters war. Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffenen Menschen in Deutschland liegt nach Zahlen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2021 bei 20,7 Prozent. Dieser Bevölkerungsteil kann nicht wirklich als konsumierend und freiheitlich demokratisch mitbestimmend bezeichnet werden. Altersarmut, Obdachlosigkeit und die Schere zwischen Arm und Reich – Dinge, die uns stets im Alltag begleiten.
Liebe FDP – seid ihr nicht selbst genervt von eurer Innovation?
„Deutschland war immer ein Land des Fortschritts. Er ist Grundlage für Wohlstand, Lebensqualität und die Lösung künftiger Herausforderungen“ – das sagt die FDP-Bundestagsfraktion auf ihrer Website. Gerade deshalb verfolgt sie das Anliegen, das Innovationsprinzip zum Leitfaden für politische Entscheidungen zu machen. Vor allem Chancen eines Gesetzesvorhabens würden mithilfe dieses Prinzips in den Vordergrund rücken. Bislang folgte die Gesetzgebung dem Prinzip der Gesetzesfolgenabschätzung. Bei gesetzgebenden Verfahren müssen vor allem negative Auswirkungen und Nebenfolgen durchdrungen werden, um diese zu verhindern.
So soll es beispielsweise auch in Bezug auf die verlängerte Laufzeit von den Atomkraftwerken Lingen, Isar 2 und Neckarwestheim 2 geschehen. Hier würde die Bevölkerung bei einer Verlängerung weiter den atomaren Gefahren der Kernkraft ausgesetzt werden. Das Innovationsprinzip wäre hier imstande, den Blick weiter auf die Chancen zu schwenken: Die sichere Energieversorgung der Bevölkerung in den Wintermonaten.

Kritik von anderen Parteien

Gegenargumente zu diesem Prinzip durch andere Parteien folgen sofort. SPD-Chefin Saskia Esken geht so weit und bezeichnet das Innovationsprinzip als innovationsfeindlich. Das Hauptanliegen der Innovationsoffensive sei nicht mehr als ein Versuch, Regulierungen und Nachhaltigkeitsziele der Gesetzgebungsverfahren zurückzudrängen.
Heute läuft jeder, der nicht mit der Gesinnung der Linken übereinkommt, Gefahr, als „Neoliberaler“ an den Pranger gestellt zu werden. Im Kontrast dazu waren es im Frühjahr 1949 der Philosoph Friedrich Hayek sowie der öffentlich Intellektuelle Milton Friedman, die den Aufbau einer freien Gesellschaft wieder zu einem intellektuellen Abenteuer machen wollten – zur Verwirklichung einer liberalen Utopie. Dass diese beiden allerdings auch diejenigen waren, die die Grundlage zu einer Finanzkrise schufen, die Millionen von Menschen an das Limit einer Existenzsicherung brachte, wird jedoch nicht in Betracht gezogen.
Ähnlich scheint es sich in den Forderungen der FDP selbst zu verhalten. Eine negative Lohnspirale wird wohl kaum aufgrund von harter Sozialpolitik entstehen. Durch Unternehmen, die in der freien Marktwirtschaft mithilfe von Tarifflucht, Werksverträgen und befristeten Verträgen die Löhne weiter drücken, aber schon eher. Aber nicht nur werden Superreiche immer reicher. Sondern verlangsamt die Kluft zwischen Arm und Reich auch das Wirtschaftswachstum, so die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit. Gleichzeitig ist es die FDP, die von der Milliardärsfamilie Finck eine geschenkte Millionensumme erhielt. Im Gegenzug ermöglichte sie der Hoteliersfamilie eine Steuersenkung von 12 Prozent auf eine Mehrwertsteuer von sieben Prozent auf Hotelübernachtungen. Nach fairem Kapitalismus zugunsten des Wirtschaftswachstums klingt das nicht.
Dass sich ein Staat weiterentwickeln und für neue Ideen Raum schaffen muss, scheint offensichtlich zu sein. Ansonsten würde er schnell auf internationaler Ebene hinterherhängen und sich in einer Weltordnung wie dieser die innerstaatlichen Bedingungen verschlechtern. Aber welchen Preis haben diese Rahmenbedingungen für möglichst effektive Innovation?

FDP ist Männersache

Aber nicht nur in ökonomischer Hinsicht müssen die Freien Demokraten Abstriche machen. Denn ihre Ideen zur sozialen Innovation führen ähnlich weit – oder kurz. 2019 beschloss die FDP, den Frauenanteil in Ämtern und Mandaten zu erhöhen. Gelungen ist es ihr bisher nicht. Knapp 80 Prozent der Abgeordneten der FDP im Bundestag sind männlich. Vielleicht lässt sich dieses Problem ja auch mithilfe des freien Marktmechanismus lösen. Das unangenehme Gefühl bei Frauen, die Sprüche wie den Christian Lindners auf dem Parteitag 2020 zu hören bekommen, jedoch nicht. Dieser hat in einer Rede über die Generalsekretärin Linda Teuteberg gesagt: „Ich denke gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300-mal, ich hab‘ mal so grob überschlagen, ungefähr 300-mal den Tag zusammen begonnen haben.“ Nach einer Kunstpause sagte Lindner: „Ich spreche über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht, was ihr jetzt denkt.“

Warum dennoch Innovation?

So, wie die FDP Innovation zu schaffen versucht, scheint es keinen Output für alle zu geben. Und schon gar nicht, wenn unsere Gesellschaft nachhaltig zusammengehalten werden soll. Da sich unser Zusammenleben und unsere Bedürfnisse stetig ändern, ist ein innovativer Ansatz also gut. Jedoch nur, solange er den Grundsatz einer Utopie nicht in ein Schlamassel stürzen lässt.

Johanna Surmann

ist 18 Jahre alt und macht nächstes Jahr Abi. Sie interessiert sich dafür, dass Stimmen ihrer Generation in die Politik eingebracht werden – der Generation, die jetzt für Innovation sorgen müsste.

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