Die EU muss transparenter werden, sagen viele. Doch dafür muss auch der Journalismus Räume schaffen.
Wer Visionen hat, sollte mit einem Europapolitiker sprechen. Schon die einfachste Idee wird zur Herkulesaufgabe, wenn man nur lang genug mit Parlamentarierinnen oder Beamten spricht. „Das ist kompliziert“ – dieser Satz fällt in fast jedem Gespräch auf unserer Recherchefahrt nach Brüssel. Da scheint es geradezu paradox, wenn dieselben Menschen fordern: „Wir müssen Europa besser erklären.“
Das Allheilmittel gegen Europaverdrossenheit, da scheinen sich alle einig zu sein, ist mehr Transparenz. Doch wenig später folgen meist ausführliche Erklärungen, warum das mit der EU-Politik alles nicht so einfach ist, wie es scheint. Die Mitgliedstaaten! Die Verträge! Die Euroskeptiker im Parlament! Die Lobbyistinnen!
Zynismus beiseite: Die EU-Politik ist in vielen Fragen erfrischend sachorientiert, zumindest bislang. Spricht man mit einer CDU-Parlamentarierin und einer Grünen-Parlamentarierin, finden sich immer wieder inhaltliche Schnittmengen. Diese Sachorientierung bringt aber wieder Komplexität mit sich – und keinesfalls einfache Antworten.
Wem schon der Föderalismus der 16 Bundesländer Kopfzerbrechen bereitet, der wird die EU-Subsidiarität aus 27 Nationalstaaten lieben. Die Institutionen der Europäischen Union sind vielen Bürgern fremd – aber ehrlicherweise auch vielen Journalisten hierzulande. Was war noch mal der Europäische Rat und was unterscheidet ihn vom Europarat? Und was macht dann die Kommission? Welche Mitspracherechte hat das Parlament?
Wie können wir als Journalistinnen und Journalisten also mit dieser Komplexität umgehen? Nun, reden wir über Prozesse, erklären wir die Verfahren, beschreiben wir die Interessen der Akteure, die etwas zu sagen haben. Kritisieren wir an dieser Stelle auch Korruption, überbordende Regelwut und Realitätsferne. Und ja, dafür brauchen wir mehr Zeilen in unseren Berichten, mehr Sendeminuten in unseren Beiträgen. Doch diese Komplexität ist es wert, erzählt zu werden. Gerade auch abseits der Aufregerthemen.
Oft übersehen wir zudem, wie sich Europa vor Ort materialisiert: In geförderten Spielplätzen, Schulprojekten oder Start-ups. Die Seite what-europe-does-for-me.de macht das sichtbar. Wenngleich kein journalistisches Projekt, sondern eines der Kommission, zeigt die Seite, wie die Europäische Union in meiner Heimatregion oder in meiner Lebenslage (zum Beispiel „Junge Steuerzahler“, „Kinofans“ oder „investigative Journalisten“) aktiv ist.
Nehmen wir uns als Journalistinnen und Journalisten dies als Impuls und suchen vor Ort, welche Erfolge, aber auch, welche Probleme hier mit EU-Projekten kamen. Die Pressebüros der EU-Institutionen zeigen sich mehr als hilfsbereit, Informationen für die Recherche zu liefern. Na also: Klingt doch gar nicht so schwierig!
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