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So schmeckt Politik

„So schmeckt Politik“ ist eine Serie von Besuchen in politischen Häusern, wie Parlamenten, Räten oder Parteizentralen, mit Fokus auf die dort angebotene Kulinarik. Eine Folge der Reihe besteht jeweils aus einem satirischen Text („Saure Gurken“), der die Lage des jeweiligen Ortes mit schmackhaften Metaphern darstellt, und einer wahren Rezension des dortigen Essens („Klar wie Kloßbrühe“). Das Format dient zur Unterhaltung und benutzt einige Schlüsselwörter, um Elemente der Politik szenisch darzustellen: Wahlprogramme sind Rezepte, Politiker*innen sind Menschen, die kochen, nicht Politik machen, Parteien werden charakterisiert mit gleichfarbigem Essen, beispielsweise: Tomaten für SPD, Erbsen für die Grünen oder Blaubeeren für die AfD.

Im Rahmen des Seminars der Jungen Presse Niedersachsen „EU kompakt: Recherchefahrt nach Brüssel“ wurde vom 9. bis zum 11. Oktober nicht nur die Arbeit der Niedersächsischen Landesvertretung, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission aus der Nähe betrachtet, sondern auch das angebotene Essen unter die Lupe genommen – bei „So schmeckt Politik“ geht es über die Frage „Wie arbeiten Politiker*innen?“ hinaus zu Fragen wie „Was essen Politiker*innen und wie vertragen sie sich untereinander?“

Saure Gurken

Foto: pixaby

Mit der kommenden Wahl zum Europäischen Parlament 2024 befindet sich ein politischer Eintopf in der Zubereitung, der in einigen Ländern droht ungenießbar zu werden. Man hätte denken können, dass jeglicher braune Brei in den Abfall gedonnert wurde, doch scheinbar befand er sich nur in der Tiefkühltruhe, wurde schnell in die Mikrowelle gehauen und ist bereit gewählt zu werden. Ergebnis der unterschiedlichen Gespräche mit Parlamentarier*innen war nichtsdestotrotz, dass die nationale Ebene nicht gleichzusetzen ist mit dem, was in Brüssel und Straßburg geschieht.

Katrin Langensiepen (die Grünen/EGP) beschrieb mehrere Vorteile des Politiker*in-Daseins in Brüssel gegenüber Berlin: hier müsse man nicht jede Woche bei Anne Will sitzen. Der Fokus liege mehr bei der Arbeit: „Wenn ich hier mit jemanden von der CDU spreche, dann bedeutet das nicht gleich schwarz-grün, sondern dass ich einfach meinen Job mache“, so die Politikerin. Auch die Abgeordneten der CDU in Brüssel deuteten indirekt an, dass es nicht immer einen Konsens mit dem Rest der Partei gibt. Michael Gahler (CDU/EVP) spricht über die politische Lage in den USA und dadurch verbundenen Gefährdung der Demokratie am Beispiel von Donald Trump (Republikaner). Darüber hinaus sei Trumps Parteikollege und möglicher Präsidentschaftskandidat, Ron DeSantis, umso gefährlicher, da dieser intelligenter als der ehemalige US-Präsident sei. Ein Andreas Scheuer (CSU), Mitglied des Deutschen Bundestags, hingegen teile einige „Analysen“ der „Zeitgeistentwicklungen“ mit dem Gouverneur von Florida und besuchte diesen mit anderen Mitgliedern der CSU. Selbstverständlich sind unterschiedliche Meinungen innerhalb einer Partei gewöhnlich und vor allem sind CDU und CSU nicht gleichzusetzen, trotzdem sind das zwei sehr unterschiedliche Ansichten – Scheuer als ehemaliger Minister unterstützt den Gouverneur, der in Florida das Abtreibungsrecht verschärft und Gahler als Mitglied des Ausschusses vor auswärtige Angelegenheiten der EU nennt ihn gefährlich.

Kurz vor dem Besuch in Brüssel war Friedrich Merz, Parteivorsitzender der CDU, aufgrund einer kontroversen Aussage sehr präsent in den Medien: „Die werden doch wahnsinnig die Leute, wenn sie sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen, die volle Leistungen bekommen, die volle Fürsorge bekommen, die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Zwar sprach niemand über den populistischen Vorfall, doch bei einem Gespräch zu Asyl-Politik mit der Abgeordneten Lena Düpont (CDU/EVP) wäre es naheliegend gewesen. Ohne über Merz zu sprechen äußerte sich, dass sie sich manchmal wünschen würde, dass manche Kollegen den Sabbel halten würden.

In den europäischen Eintopf kann man viel Gemüse schnippeln. Je nachdem welche Partei dir mundet, gibt es einiges an Auswahl. Aus Deutschland wurden 2019 vor allem schwarze Auberginen in die Brühe gerührt. Hinzugegeben wurden grüne Erbsen aber auch rote Tomaten. Auch Blaubeeren wurden in Vielzahl beigemischt, doch das Obst scheint schlecht Anschluss zwischen dem ganzen Gemüse zu finden. Aber auch rote Chilis und gelbe Paprika haben Platz gefunden. Bei der letzten Wahl hatten sie etwas mehr als 5%, doch bei der Europawahl haben wir keine Fünfprozenthürde. Bei aktuellen Umfragewerten für den Bundestag hingegen schauen die Ergebnisse vermehrt nach rechts gerückt aus. Die Suppe der EU ist ziemlich durchsichtig – man könnte beinahe sogar sagen: transparent. Für Journalist*innen gibt es eine Vielzahl an Angeboten, um genau diese Transparenz auszudrücken. Völlig kostenlos aber mit Zeit kann man sich Material, ein Studio oder auch jemanden, der Inhalte schneidet, mieten. Als Presse akkreditiert werden kann im Grunde jedes Medium. Selbst euroskeptische und russische Medien seien nicht darin gehindert zu berichten. Nun stellt sich die Frage, ob diese extreme Transparenz der Demokratie in Europa zum Verhängnis wird: hätte es eine klarere Kante zu manchen politischen Ausprägungen geben müssen? Werden in Zukunft selbsternannte Brandmauern eingerissen?

Klar wie Kloßbrühe

Niedersächsische Landesvertretung

Gegen Abend gebe es Essen in einem „Imbiss“ hieß es vorab in einer E-Mail, doch scheinbar hat die niedersächsische Landesvertretung eine andere Definition für dieses Wort. Eingestellt war ich vielleicht auf die belgische Interpretation des Döners, auf die ich mich ebenso gefreut hätte, doch tatsächlich wurde ein feines Buffet mit Kärtchen zurechtgemacht, auf denen schnörkelige Wörter auf Französisch standen, die nichts weiter als die Zutaten beschrieben. Verkostet habe ich allerdings nur selbst ausgewählte Mahlzeiten und kann deshalb nur über das vegetarische Angebot berichten.

Man merkt, dass etwas gut zubereitet ist, wenn es mundet, obwohl die einzelnen Ingredienzen sich nicht mit dem Gaumen verstehen. Bemerkbar machte sich das bei kleinen körnigen Brötchenecken belegt mit Rucola, Aubergine, Zucchini und gelber Paprika. Es muss die aufgestrichene Soße gewesen sein, die dafür sorgten, dass ich mir eine zweite Portion genehmigte. Im gleichen Gang folgte ein kleines Brot mit „Chèvre figues et noix, raisins“ oder einfach Feigen, Walnüsse, Ziegenkäse und Rosinen – ebenfalls geschmacklich sehr stark. Im Hauptgang belohnte sich mein Mund mit einer kleinen Schüssel Quinoa, begleitet von Avocado, Mango und irgendeiner lila Blume – auch das vorzüglich. Begleitet wurden die Portionen nicht von einem edlen Wein, nein viel besser: Orangensaft aus einem Tetrapack, den ich wegen fehlenden Französischkenntnissen nicht selbst an der Bar bestellen konnte. Um Missverständnissen aus dem Weg zu treten: auch feine alkoholische Getränke hätte es gegeben. Abgerundet wurde die Mahlzeit meinerseits von zwei putzigen Macarons. Alles in allem sehr empfehlenswert: 12 von 12 EU- Sternen von mir!

Europäisches Parlament

Um herauszufinden, was Menschen aus der Politik konsumieren, ist das Europäische Parlament wohl passender, denn dieses hat eine Kantine, in der regelmäßig Essen zur Verfügung gestellt wird. Unsere Gruppe hingegen durfte in einem separaten Saal mit drei großen Tischen und Bediensteten, die auch von den Minderjährigen Schnösel-Manieren erwarteten, Platz nehmen. Hier hieß es: Besteck von Außen nach Innen verwenden. Etappenweise wurden dann Vorspeise, Hauptgang und Dessert serviert, doch schon dabei ließe sich kritisieren, dass es Verwechslungen beim Bringen von Vegetarisches für Vegetarier*innen, nicht-Vegetarisches für nicht-Vegetarier*innen und so weiter, gab. Allerdings ist nicht klar, woher der Fehler stammte und es sollte bemerkt werden sollte, dass es ganze vier Optionen gab: Fleisch, Fisch, vegetarisch und vegan. Das Essen kam definitiv nicht an das Menü der Niedersächsischen Landesvertretung ran, doch fairerweise erinnere ich mich auch kaum an das eigentliche Essen, mehr an das Drumherum. Alles, was ich bildlich vor mir habe, ist, dass ich die Soße der Hauptspeise so gut gefunden haben muss, dass ich traurig war, keinen Löffel zum vollsten Auskosten dieser hatte. Der einzige Löffel blieb nämlich für das Dessert, das ebenfalls gut, doch nicht außergewöhnlich war. Die Kantine des Europäischen Parlaments bekommt von mir 8 von 12 EU-Sternen.

Europäische Kommission

Vorab ausgestattet mit Vouchers für Suppe, Hauptgericht, Getränk und Nachtisch, ging es in die Kantine der Europäischen Kommission. Dieses Mal nicht getrennt von den eigentlichen Besucher*innen des Hauses, war in dem Raum einiges los. Wie divers die Anzahl der gesprochenen Sprachen auch gewesen sein mag – die Auswahl der Gerichte war es kaum. Nicht dass das Essen schlecht war, doch es war äußerst mittelmäßig. Die Suppe war geschmacklich okay, doch hatte einige Stückchen in sich, die nur das Mundgefühl abschwächten und nichts zum Geschmack beitrugen. Die Pasta quatre formages (vier Käse) passte gut zu ihrem Namen, denn es war auch viermal Käse zu viel. Diese Feststellung könnte aber auch damit zusammenhängen, dass ich grundsätzlich die Meinung vertrete, dass Käse überbewertet ist. Dafür war die Pasta aber lecker. Das Dessert war gut: eine Art Pudding oder Jogurt, Erdbeer oder Vanillegeschmack. Minuspunkt könnte vielleicht sein, dass es recht unübersichtlich war und man erst finden musste, wo sich alles befand. Pluspunkt war auf jeden Fall das Fließband, das alle Tabletts abtransportiert hat, das hatte etwas von „Habe es eilig, die Pressekonferenz mit Ursula von der Leyen ruft. Könnte jetzt das Tablett nicht einfach die zehn Meter weiter abstellen.“ Insgesamt gibt es für die Kantine der Europäischen Komission 6,5 von 12 EU-Sternen.

Sebastian Wimmer

ist 17 Jahre alt und denkt auch er wäre Anton Ego: „Gutes Essen schätze ich nicht bloß, ich LIEBE es. Was ich nicht liebe, das schlucke ich nicht hinunter!“ Naja, vielleicht nicht ganz so extrem...

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