Proteste in Hannover gegen Kürzungen in der Kultur- und Jugendförderung
Einen typischen Democharakter hat die angekündigte Protestaktion am vergangenen Mittwoch nicht: „Vereinte Kultur Hannover“ (VKH) hatte Kulturbetriebe, Jugendverbände und Vereine zu einer gemeinsamen Kundgebung vor dem Rathaus aufgerufen. Sie alle eint: Sie sind von den kommunalen Haushaltskürzungen betroffen. Laut VKH sollen in mehreren Schritten 6 Millionen Euro eingespart werden, ab 2027 soll die Gesamteinsparung erreicht sein. Damit sei jede Einrichtung von einer Kürzung um 10 bis 15 Prozent betroffen, einen derartigen Wegfall von Fördergeldern habe es in Hannover noch nie gegeben. Um ihrer Forderung nach einem Stopp der Kürzung Ausdruck zu verleihen, setzen die Organisator*innen auf einen farbenfrohen und kreativen Protest. Sie haben auf dem Trammplatz eine Fusion aus Stadtfest und Demonstration geschaffen, um bildlich zu machen, wie die Kultur aussieht, der die Stadt jetzt ihre Förderung teilweise entziehen will.
Jugendarbeit und Kultur leben von der Förderung
Bei der Kundgebung sind zahlreiche Einrichtungen vertreten, die auf die kommunale Förderung angewiesen sind. Sie arbeiten gemeinnützig und häufig nicht profitorientiert, nehmen nebenbei Stadt und wichtige Aufgaben wie Jugendarbeit und Kinderbetreuung oder politische Bildung ab. Gleichzeitig sind die freien Kulturzentren wie die „Faust“, die ebenfalls auf der Kundgebung vertreten war, immer wieder wichtige Plattformen für politischen Austausch und Diskussion, der so woanders kaum stattfinden kann.
Keine Stadt für junge Menschen
Dass die Stadt die angeblich nötigen Einsparungen gerade auf die Jugend abschiebt, kann man nur als Beleidigung verstehen. Nicht nur, weil die Einsparungen im Vergleich zum Gesamthaushalt verschwindend gering sind: Jugendliche sind häufig das erste Ziel städtischer Einsparungsprojekte. Große Bauvorhaben, neue Autobahnen und Volleyballfelder, die Wohnungslose und Drogenabhängige aus dem Stadtbild vertreiben sollen, sind doch viel wichtiger! Zynismus beiseite, die Stadt zeigt damit wieder einmal, dass sie eins nicht sein will: Eine Stadt für junge Menschen. Auf der Kundgebung hieß es:
„Kommen die Kürzungen so wie angekündigt, können manche unserer Einrichtungen nicht überleben, weil sie jetzt schon am absoluten Minimum wirtschaften.“
Also geht die Politik bewusst das Risiko ein, dass auch Jugendzentren und Einrichtungen für Betroffene sexualisierter Gewalt aussterben. Die geben jungen Menschen, die in ihrem Alltag Gewalt erleben, sichere Rückzugsräume. Und sie finden Freiräume, um sch gemeinsam mit anderen Jugendlichen zu treffen, zu vernetzen, eigene Projekte zu starten, frei von Eingrenzung durch Lehrer und Eltern. Die Stadt hat keine Konzepte, das aufzufangen.
Mehr Mittel für Alle
Entgegen der städtischen Pläne, wurde bei der Kundgebung sogar für eine Erhöhung der Fördergelder gestritten: Nicht weniger Geld soll es geben, die Stadt solle dafür sorgen, „dass alle Einrichtungen eine vernünftige Unterstützung bekommen.“ Und das ist durchaus eine berechtigte Forderung. Nicht nur die städtischen Organisationen in Hannover sind von Unterfinanzierung betroffen. Landesmittelförderungen, wie es sie in vielen Bundesländern noch gibt, werden seit Jahren nicht oder nur geringfügig erhöht, obwohl gerade mit der derzeitigen Inflation die Kosten in der Veranstaltungsorganisation immer weiter steigen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Projekte, wie 4Generation, die ein- oder mehrmalige Förderungen zu Jugendbeteiligungsprojekten vergeben, über die sich aber Jugendverbände und Vereine nicht dauerhaft finanzieren können. Die langfristige Organisation unabhängiger Jugendverbände, die sich kritisch in Gesellschaft und Politik einmischen können, um diese Mitzugestalten, könnte so zunehmend unmöglich gemacht werden. Dann können Jugendliche sich nur noch mit einmaligen Kampagnen und hübschen Publicity-Projekten Gehör verschaffen. Also heißt es weiter streiten für die Kultur- und Jugendförderung – in Hannover und überall!
Bündnis will aktiv bleiben
Umso besser, dass die Vereinte Kultur es nicht bei einer einmaligen Aktion belassen will. „Das hier ist nur der Auftakt!“, meinte die Moderatorin des Bühnenprogramms am Schluss der Kundgebung. Man solle die Augen und Ohren nach weiterem Protest offenhalten.
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