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Was ich an den USA nicht verstehe: Bericht aus dem Auslandsemester

Ein Auslandssemester in den Vereinigten Staaten − Unser Vorstandsmitglied Elena hat sich einen Traum erfüllt und knapp fünf Monate im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verbracht. Erst auf dem Roadtrip an der Westküste, dann beim Studium und Praktikum in der Hauptstadt Washington, D.C. sind ihr jedoch einige Dinge begegnet, die sie an den Vereinigten Staaten und den US-Amerikaner*innen auch nach einem Semester noch nicht ganz versteht.

Studium

Wie glücklich ich mich als Studentin in Deutschland schätzen kann, habe ich erst hier wirklich realisiert. Rund 25.000 Euro kostet ein Bachelorstudium normalerweise an der Uni, die ich besucht habe. Damit ist sie für amerikanische Verhältnisse noch nicht mal besonders teuer. Diese, aus meiner europäischen Sicht, unglaubliche hohe Summe kommt zustande, da in den USA im Gegensatz zu Deutschland das Hochschulsystem nicht staatlich zentral geregelt ist und fast alle besseren Hochschulen hier Privatunis sind. Ohne mein Stipendium hätte ich mir das Semester definitiv nicht leisten können.

Für diesen Haufen Geld bekommt man dann ein ziemlich verschultes Studium mit meist wenig eigenverantwortlichem Arbeiten. Ich habe mich hier gewundert über die vielen Erinnerungsmails der Profs für Termine und Abgaben, dem geringen akademischen Anspruch und die unverhältnismäßig guten Noten. Dass wir die Abschlusszertifikate dann schon vor den letzten Abgaben und Klausuren in die Hand gedrückt bekamen, habe ich daher auch nicht mehr wirklich hinterfragt.
Sind die Studiengebühren finanziert, kommen allerdings noch die Wohnkosten dazu. Als ich vor Beginn meines Semesters erfuhr, dass die günstigste Unterkunft auf dem Campus rund 900 Euro im Monat kostet, habe ich es erst kaum geglaubt. Wofür ich selbst in deutschen Großstädten eine ganze WG mieten könnte, bekomme ich hier gerade mal ein Hochbett in einem Dreier-Zimmer, mit Gemeinschaftsbad und -küche auf dem Flur.

Nein danke, aus dem Alter, als vier Monate mit fremden Menschen wohnen wie in einer Jugendherberge irgendwie okay war, bin ich raus (wahrscheinlich war ich aber auch nie in dem Alter). Für etwa den selben Preis habe ich dann über Airbnb wenigstens mein eigenes Zimmer bekommen, muss dafür allerdings einen weiten Weg zur Uni auf mich nehmen. Da ich drei Tage die Woche Praktikum mache, muss ich dort aber nicht so häufig hin. An spontane Treffen mit Kommilliton*innen ist jedoch nicht zu denken und auch nicht an ein klischeehaftes College-Leben, wie ich es in amerikanischen Filmen und Serien schon hundert Mal gesehen habe. Ob das gut oder schlecht ist? Auf jeden Fall musste ich nicht mit Gruppenduschen Vorlieb nehmen.

Essen

Wenn man es drauf anlegt, kann man sich nur von Burgern und Co. ernähren – was aber keine gute Idee ist.

Käse als Sprühschaum? Oreo-Kekse in 15 Geschmacksrichtungen? Willkommen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, auch was Essen angeht. Anscheinend ist hier keine Geschmackskombination zu merkwürdig, um nicht irgendwo in einem Supermarktregal zu landen. Überhaupt ist es eine echte Herausforderung, sich hier einigermaßen gesund zu ernähren. Lebensmittel sind generell teurer, woran sich meiner Meinung nach Deutschland ein Vorbild nehmen könnte. Mit meinem Studierendenbudget tut der Supermarkt-Einkauf trotzdem oft weh.

Ebenfalls wichtig: Amerikaner*innen mögen es gerne süß, daher muss man aufpassen, bei verarbeiteten Lebensmitteln keinen Zuckerschock zu bekommen. Der Blick auf die Nährwerttabelle kann deshalb ziemlich schockierend, aber aufschlussreich sein. Wenn ich hier erwähne, dass ich als Studentin fast immer selbst koche, schauen mich viele ungläubig an, wozu gibt es schließlich die Takeaway oder die Uni-Mensa? Doch in letzterer kostet eine Mahlzeit trotz Abo knapp 11 Euro, weshalb ich darauf dankend verzichtet habe. Daher kann ich es tatsächlich kaum erwarten, in der Mensa der Uni Hannover bald wieder für 1,95 Euro ein solides Tagesgericht zu bekommen.

Verkehr

Nicht nur die Autos, auch die Autobahnen sind größer.

Größer, breiter, lauter – das scheinen die wichtigsten Kriterien beim Autokauf in den USA zu sein. Vor allem in den ländlichen Gegenden habe ich hier haufenweise Trucks gesehen, gegen die deutsche SUVs geradezu wie Kleinwagen wirken. Dass die Motorhaube ungefähr auf Höhe meines Kopfes aufhört, ist hier nichts Ungewöhnliches. Dass wirklich jede*r Besitzer*in so eines Monstrums das Auto für die Farmarbeit oder zum Anhänger ziehen braucht, kann man mir nicht erzählen – dafür klauen selbst in Großstädten zu viele dieser Dinger wertvollen Raum.

Warum sind diese Autos hier also so beliebt? Ich vermute: einfach, weil man es kann. Die Straßen, die Parkplätze, alles ist hier größer, so dass es mit dem Auto einfach am bequemsten ist. Öffentliche Verkehrsmittel sind in den meisten Städten eher schlecht ausgebaut, und von vielen verpönt. Mit meinem Semesterticket schaffe ich es trotzdem, mich mit Metro und Bus in Washington kostengünstig fortzubewegen. Nur zu später Stunde muss ich auf Uber und Co. zurückgreifen – Nachtsternverkehr, wie ich ihn aus Hannover kenne, ist in D.C. nämlich ein scheinbar unbekanntes Konzept.

Ausgehen

Sich mit ein paar Leuten zu treffen, beim Kiosk ein Wegbier zu holen und dann im Club bis 5 Uhr morgens durchzutanzen – meine Ausgeh-Gewohnheiten musste ich hier komplett über Bord werfen. Alkohol zu trinken in der Öffentlichkeit ist nämlich fast überall in den USA verboten („It’s the law!“). Ich werde nie den faszinierten Blick eines amerikanischen Kommillitonen vergessen, als ich ihm das Konzept des Wegbieres erklärte. Clubs dürfen zudem meist nicht länger als drei Uhr morgens öffnen.

Insgesamt ist Feiern zu gehen deutlich teurer als in Deutschland, denn ein kleines Bier gibt’s hier selbst zur Happy Hour für umgerechnet vier Euro. Viele Clubs haben zudem einen Dresscode – wenn man aber erstmal drin ist, kann man zu Hip Hop und RnB schon ziemlich gut feiern. Erlaubt sind Alkohol und Clubs aber erst ab 21, und auch beim Betreten einer Bar konnte ich mich darauf verlassen, den Ausweis vorzeigen zu müssen. Aus diesem Grund finden viele College-Partys mehr oder weniger im Geheimen oder zumindest inoffiziell statt, mit obligatorischem Beerpong. Warum die Studierenden es hier akzeptabel finden, das mit einem Bier zu spielen, was mehr nach Wasser als nach Bier schmeckt, ist eine andere Frage – viel Spaß hatte ich trotzdem beim Weggehen.

Patriotismus

Die USA-Flagge darf vor dem Washington Monument natürlich nicht fehlen.

Flaggen, Flaggen, und noch mehr Flaggen – daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Was in Deutschland außerhalb der Fußball-WM ziemlich sicheres Erkennungszeichen für Nationalistinnen oder zumindest nach rechts Abgedriftete ist, gehört hier quasi zum guten Ton: Die Landesflagge im Vorgarten, am Auto oder überall sonst, wo eben noch Platz ist. Falls man mal vergisst, in welchem Land man sich gerade befindet – man weiß ja nie.

Ich habe mich selbst schon dabei der ertappt, vor dem Baseballspiel im Stadion die Nationalhymne inbrünstig mitzusingen. Und Trumps Wahlkampfhymne verleitet leider einfach zum Einstimmen. Es ist ziemlich einfach, die USA für das größte Land überhaupt zu halten – wenn ich vieles ausblende. Die Armut, das marode Sozialsystem, der knallharte Kapitalismus – dies alles kann auch der beste Burger der Welt und die krasseste College-Party nicht wett machen. Wiederkommen will ich trotzdem, als Touristin, nicht zum Leben. Zu viele Nationalparks, Küsten, Städte habe ich noch nicht gesehen. Denn in „America, the Beautiful“ gibt es noch viel zu entdecken.

Fotos von Elena Everding

Elena Everding

ist Vorstandsmitglied der Jungen Presse Niedersachsen, studiert in Hannover Politikwissenschaft im Master und arbeitet als Freie Journalistin. Das JPN-Journal und der dazugehörige Blog ist ihr Herzensprojekt - ab und zu schreibt sie hier auch selbst.

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