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Journalismus auf dem Stundenplan: Der neue Leiter der Henri-Nannen-Schule im Interview

Der Journalist Christoph Kucklick ist seit Anfang 2020 der neue Leiter der renommierten Journalist:innenschule in der Neustadt Hamburg. Benannt ist die Schule nach dem Publizist und langjährigem Stern-Herausgeber Henri Nannen. Mit einer Reportage-Gruppe der Jungen Presse Niedersachsen besuche ich Kucklick für ein Interview. Es ist ein regnerischer Morgen im auch sonst so regnerischen Hamburg. Er erzählt uns im Interview, wie die Schule Nachwuchsjournalist:innen ausbildet und warum TikTok nicht auf dem Lehrplan steht.

Herr Kucklick, warum sind Sie Journalist geworden?

Christoph Kucklick: Mir gefällt das Reisen und ich finde es sehr aufregend, Neues kennen zu lernen – Abenteuer mit Herausforderung zu verbinden und das dann festzuhalten.

Wie sind Sie zur Henri-Nannen-Schule gekommen?

Ich wurde vor Kurzem angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, Leiter der Schule zu werden. Vorher war ich fünf Jahre Chefredakteur des Reportage-Magazins GEO, das war eine sehr vielseitige Arbeit. Von 1985 bis 1987 war ich selbst Schüler an dieser Schule.

„Wir wollen es den Besten der Besten so schwer wie möglich machen.“

Christoph Kucklick

Wie funktioniert die Schule?

Die Ausbildung junger Journalist:innen ist ein aufwendiger Auswahlprozess. Wir wollen es den Besten der Besten so schwer wie möglich machen. Deswegen wählen wir von diesen Besten auch nur eine Handvoll aus: Alle zwei Jahre haben wir 18 Auszubildende. Aber es gibt auch Veränderungen. Heute lernen die Schüler:innen die neuen Produktentwicklungen und Innovationen im Journalismus kennen – die Digitalisierung ist eine große Errungenschaft. Das eigentliche Wesen einer Nachricht ist aber unverändert. Man nennt es „Klassik Plus“. Alles machen wir allerdings nicht mit, TikTok zum Beispiel halte ich als Plattform für journalismusfern. Am Ende der Ausbildung an der Schule gibt es dann eine Bescheinigung.

Gibt es eine Vergütung für Ausbildung?

Nun, in den ersten sechs Wochen bekommen die Auszubildenden 500 Euro Gehalt. Danach 1850 Euro. Was sie dann in ihrer überbetrieblichen Ausbildung beziehungsweise im Volontariat verdienen, hängt von den Verlagen ab, in denen sie arbeiten.

Christoph Kucklick erzählt den Seminarteilnehmer:innen von seinem Beruf.
Foto: Daniel Düsterdiek

Was brauche ich für eine Bewerbung an der Henri-Nannen-Schule?

Die Bewerbung erfolgt über das Einreichen einer Reportage, eines Kommentars und eines Motivationsschreibens. Aus den Bewerbungen werden dann die besten 66 ausgewählt. Diese müssen dann einen Bilder- und Wissenstest absolvieren, der die Nachrichtenlage der letzten zwei Monate umfasst. Am Ende wird dann, ganz mathematisch, eine Rangliste erstellt.

„Die wichtigste Tugend eines Journalisten: Immer vorsichtig sein.“

Christoph Kucklick

Wie sieht der Alltag an der Schule aus?

In unserer Schule gibt es keine klassischen Fächer, die Sie aus dem Gymnasium kennen. Vielmehr gibt es Grundseminare in verschiedenen journalistischen Bereichen, zum Beispiel die Nachricht, das Interview oder die Reportage. Besonders auf die Wiederholung und die Vertiefung einzelner Schreibtechniken wird großer Wert gelegt. Doch nicht nur die Auszubildenden werden bewertet, zwischendurch gibt es auch Evaluationen mit den Dozent:innen, dann werden sie bewertet. Der normale Alltag umfasst ansonsten noch Themenkurse und Seminare, in denen einzelne Bereiche vertieft werden.

Sie haben viele Jahre als Journalist gearbeitet. Gibt es in ihrer beruflichen Laufbahn eine Geschichte, die Sie besonders geprägt hat?

Ja, tatsächlich. Vor ein paar Jahren sollte ich für GEO eine Vor-Recherche in Manila tätigen. Es ging um die Privatisierung der Wasserversorgung in der philippinischen Hauptstadt. In allen deutschen Medien wurde von der Katastrophe der Privatisierung berichtet. Wir haben uns gefragt, stimmt das? Wir sind dann mit einer NGO fünf Tage lang durch Slums gefahren und uns wurde überall das Gleiche erzählt: Es ist dramatisch viel besser! Vorher gab es eine Wassermafia, die die Zugänge zu sauberem Trinkwasser gekapert hatte. Durch die Privatisierung konnten sich die Slumbewohner:innen endlich ohne Angst ihr Trinkwasser besorgen. Eine Erfolgsgeschichte. Da hat sich für mich gezeigt, die wichtigste Tugend eines Journalisten ist: Immer vorsichtig sein. Bevor man auf andere Medien vertraut, lieber selbst nachforschen.

Herr Kucklick, vielen Dank für das Gespräch.

Fotos von Daniel Düsterdiek

Lukas Siebeneicker

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