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Atommüll liegt in der Natur.

Strahlende Zukunft

Deutschland sucht ein Endlager für seinen Atommüll. Das Problem: Zu wenig Jugendliche suchen mit. Ohne sie ist der Prozess sinnlos.

Sie steht für die junge Generation bei der Endlagersuche – und damit steht sie ziemlich allein da. Jorina Suckow, 28, ist eine der beiden Jugendvertreter*innen im Nationalen Begleitgremium. Seit 2016 begleitet sie die Suche nach einem geeigneten Ort für das strahlende Souvenir aus ein paar Jahren Atomkraft. 

Dazu gekommen ist sie eher zufällig. Vor fünf Jahren bekam sie einen Anruf vom Bundesumweltministerium: Der Anrufer erklärte ihr, dass man sich vom Computer ein paar zufällig generierte Telefonnummern habe ausspucken lassen, weil man auf der Suche nach Bürger*innen für das Nationale Begleitgremium sei. Suckow fand das interessant genug, um sich per Mail mehr Informationen zuschicken zu lassen. Ein paar Wochenenden später ging es zu einem ersten Treffen mit den anderen Angerufenen: Druckbetankung mit Informationen zum Endlagersuchprozess, dann die Frage, wer sich zur Wahl aufstellen lassen möchte: Sechs Bürger*innenvertreter*innen sollten bestimmt werden – zwei davon aus der jungen Generation, also zwischen 16 und 27 Jahren. Gemeinsam mit zwölf anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens würden sie das Nationale Begleitgremium bilden. 

Suckow zögerte. Sie war damals in der einjährigen Vorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen: „Ich habe mich gefragt, ob ich überhaupt genug Zeit habe.” Auch andere Jugendliche hätten gezweifelt. Suckow sagt: „Ich glaube nicht, dass ich mich zur Wahl hätte aufstellen lassen, wenn es keine Quote gegeben hätte.” 

Nicht verursacht, aber mit verantwortlich

Und genau dort beginnt das Problem: Im Nationalen Begleitgremium müssen Jugendliche sitzen – bei den anderen Beteiligungsformaten im Endlagersuchprozess sieht das anders aus. Das Ergebnis: Es beteiligen sich überwiegend ältere Menschen. Dass sie das tun, ist ja schön und gut, bei einem so einem Mehrgenerationenprojekt aber unzureichend. 

Zwei Generationen haben von der Atomkraft profitiert, mindestens 40.000 werden mit den Konsequenzen leben müssen. Bis 2031 soll ein Endlager gefunden werden – möglichst sicher und von den Bürger*innen vor Ort akzeptiert. Gorleben soll sich nicht wiederholen. Dafür braucht es Bürger*innenbeteiligung. Menschen, die am Endlagersuchprozess beteiligt waren, werden am Ende immer noch nicht glücklich mit dem Atommüll vor ihrer Haustür sein, aber sie werden vermutlich auch keinen Protest dagegen starten. Wenn alles gut läuft, akzeptieren sie, dass bei ihnen nun einmal wirklich der sicherste Standort ist. 

Die junge Generation hat das alles nicht verursacht, ist nun aber mit verantwortlich. Sie muss dabei helfen, einen Ort zu finden, an dem der Atommüll für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann – eine kaum vorstellbare Zeitspanne. Vor einer Million Jahre war der Homo erectus noch die aktuellste Art seiner Gattung – wer weiß, wie die Menschheit in einer Million Jahre aussehen wird. In jedem Fall muss aber sichergestellt werden, dass auch sie noch weiß, was hochradioaktiver Atommüll ist und dass er am besten in seinem Endlager bleiben sollte. Das ist so oder so eine Mammutaufgabe – vor allem aber, wenn sich schon die jetzige junge Generation kaum am Endlagersuchprozess beteiligt. 

Das BASE muss die Jugendfrage klären

Mit diesem Problem sollte sich dringend das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) beschäftigen. Die Behörde ist für die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Endlagersuchprozess zuständig. Was sie genau organisieren soll, steht im Gesetz zur Endlagersuche: Auf den im Herbst 2020 erschienenen Zwischenbericht Teilgebiete musste beispielsweise die Fachkonferenz Teilgebiete folgen, bei der Bürger*innen besagten Zwischenbericht diskutieren können. Das ist vorgeschrieben – im Gesetz steht aber auch, dass über die gesetzlich geregelten Mindestanforderungen hinaus weitere Beteiligungsformate entwickelt werden können.

Portätfoto von Jorina Suckow
Jorina Suckow arbeitet als Juristin. © Walter Schmidt-Novum

Jorina Suckow sagt dazu: „Das Gesetz muss mit Leben gefüllt werden.” Dafür sollte das BASE sicher sehr bald Zeit haben: Nach der Fachkonferenz Teilgebiete kommen Bürger*innen das nächste Mal bei den Regionalkonferenzen zu Wort, also falls bei Erkundungsbohrungen vor Ort rauskommen sollte, dass ihre Region für ein Endlager geeignet ist. Nun ergab aber die erste Auswertung bereits vorhandener geologischer Daten, dass 54% Deutschlands für ein Endlager geeignet sein könnten. Es müssen also viel mehr Regionen als erwartet intensiver betrachtet werden, bevor Erkundungsbohrungen durchgeführt werden können. Mit anderen Worten: Das wird dauern. Es entsteht eine Beteiligungslücke.

Behörde sogar schon gemacht: Im März 2021 fand ein Jugendworkshop zum Thema Endlagersuche statt. Die knapp 40 Teilnehmer*innen wurden mit Grundwissen ausgestattet und durften überlegen, wie mehr ihrer Altersgenoss*innen über das Thema informieren und am Endlagersuchprozess beteiligen könnte. Suckow nennt die jungen Menschen „Expert*innen in eigener Sache.” Sie ist selbst noch jung, weiß aber, dass fünf oder zehn Jahre Altersunterschied in diesem Lebensabschnitt viel ausmachen können. Sie weiß nicht, wie man jüngere Jugendliche beteiligen kann. Die Jugendlichen selbst wissen das aber schon – sie zu fragen, ist sinnvoll.

Die jugendgerechte Werbestrategie fehlt

Trotzdem fehlt bisher eine langfristige Jugendstrategie: Jugendworkshops sind ein guter Anfang, auf lange Sicht müssen Jugendliche aber in die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsformate – im Gegensatz zu zusätzlichen Workshops haben die nämlich gewisse Rechte vom Gesetzgeber bekommen. Bei den Regionalkonferenzen können Bürger*innen zum Beispiel Überprüfungen beantragen, wenn sie daran zweifeln, dass ihre Region wirklich geeignet ist oder Vertreter*innen in den Rat der Regionen entsenden, um ihre Einwände zu verhandeln. 

Diese Beteiligungsformate müssen jugendlicher werden. Das heißt, sie müssen so gestaltet werden, dass junge Menschen teilnehmen können. Von den Jugendlichen darf nicht erwartet werden, dass sie schon alles verstanden haben, um mitzureden. Ältere Menschen müssen auf die junge Generation zukommen: Sie sollten nicht mit Fachbegriffen um sich schmeißen, sondern ihr Wissen auf Augenhöhe weitergeben und die Jugendlichen und ihre Fragen und Meinungen ernst nehmen. Außerdem muss die ehrenamtliche Arbeit finanziell entschädigt werden, denn es kostet Zeit, sich in so ein komplexes Thema wie die Endlagersuche einzuarbeiten. Diese Zeit kann sich nicht jede*r einfach so nehmen. Die Mitglieder der AG Vorbereitung Fachkonferenz Teilgebiete bekamen anfangs noch keine Aufwandsentschädigung, das wurde zum Glück mittlerweile geändert. 

Nun war es aber zuvor nicht so, dass junge Menschen in Scharen zur AG Vorbereitung Fachkonferenz Teilgebiete kamen und merkten, dass sie sich das Ehrenamt gar nicht leisten können. Steile These, aber das könnte gegebenenfalls mit der suboptimalen Werbestrategie zu tun haben. Das fängt schon beim Namen an: „AG Vorbereitung Fachkonferenz Teilgebiete” erklärt vielleicht, dass es sich um die AG handelt, die die Fachkonferenz Teilgebiete vorbereitet, cool klingt das aber nicht. Und Social Media sollte sich das BASE auch noch einmal genauer anschauen – heißer Tipp: So erreicht man die Jugend von heute wirklich. Man könnte gezielt Werbeanzeigen schalten oder mit passenden Influencer*innen zusammenarbeiten. Vielleicht könnte man ja die „Expert*innen in eigener Sache” nochmal um Rat fragen. Es selbst nicht besser zu wissen, ist ja okay – man muss es sich aber eingestehen.

Transparenzhinweis: Dieser Kommentar ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Stiftung Leben und Umwelt entstanden.

Lima Fritsche

Lima Fritsche ist die FSJlerin der Jungen Presse Niedersachsen.

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