Deutschland sucht eine neue Regierung. Doch was kommt auf uns zu? Wieder eine Zwangsheirat oder doch eine Liebesehe?
Deutschland hat gewählt! Seit dem 26. September stehen die Abgeordneten im Bundestag für die nächsten vier Jahre fest. Doch nach der Wahl ist vor der Wahl. Jetzt geht es für die Parteien darum, eine Bundesregierung für die nächsten Jahre zu bilden. Aber welche Koalitionen sind überhaupt möglich? Denn eines ist klar: Eine absolute Mehrheit hat keine Partei.
Nach der Bundestagswahl gibt es nun fünf Koalitionen, die möglich wären: eine Koalition aus Union, SPD und Grünen (Kenia-Koalition), ein Bündnis aus Union, SPD und FDP (Deutschland-Koalition), die Koalition aus SPD, FDP und Grünen (Ampel-Koalition), außerdem ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen (Jamaika-Koalition) und schlussendlich eine erneute Koalition aus Union und SPD (Große Koalition). Alle diese Koalitionen würden eine Mehrheit im Bundestag haben. Nun liegt es an den Parteien, eine Regierung zu finden, die es schafft, einen gemeinsamen Koalitionsvertrag auszuhandeln.
Große Koalition, Deutschland-Koalition und Kenia-Koalition unwahrscheinlich
Auch wenn die Kenia-Koalition und die Deutschland-Koalition im Bundestag vorher noch nie zu Stande gekommen ist und es somit noch keine schlechten Erfahrungen mit dieser Koalition gab, ist es eher unwahrscheinlich, dass es zu diesen Zusammenschlüssen der Parteien kommt. Das liegt vor allem an Union und SPD. Laut ZDF-Politikbarometer möchte die Mehrheit der Deutschen keine Neuauflage der Großen Koalition. Schon nach der Bundestagswahl 2017 war die Große Koalition eher eine Notlösung, nachdem die Jamaika-Sondierungen gescheitert waren.
Außerdem hat die Stimmenverteilung sich verändert: Alle Parteien liegen viel näher beieinander, was 2017 definitiv noch anders war. Eine erneute Große Koalition wäre ziemlich genau das Gegenteil von dem, was die Wähler*innen möchten. Eine Deutschland-Koalition und auch eine Kenia-Koalition wären nur eine „Erweiterung“ der Großen Koalition mit FDP oder Grünen. Ein wirklicher Richtungswechsel der Regierung wäre das nicht. Daher sind diese Bündnisse auch eher unwahrscheinlich.
Die Favoriten „Ampel“ und „Jamaika“
Viel wahrscheinlicher ist zum Beispiel die Ampel-Koalition aus der SPD, der FDP und den Grünen. Die Wahlprogramme von der SPD und den Grünen liegen ohnehin schon sehr nah beieinander, somit ist es einfach, Kompromisse für ein Regierungsprogramm zu finden. Etwas schwieriger wird es bei diesem Bündnis sein, auch mit der FDP auf einen Nenner zu kommen. Aber da sich alle Parteien, gerade auch in der Klima-Politik, in den letzten vier Jahren auf einander zubewegt haben, sieht es für die Ampel-Koalition wirklich gut aus. Trotzdem darf man die Streitpunkte dieser Koalition nicht außer Acht lassen. Besonders in der Steuerpolitik sind sich die einzelnen Parteien nämlich nicht einig, in welche Richtung sich Deutschland bewegen soll. Abgesehen davon ist diese Variante bei der Bevölkerung sehr beliebt: Laut ZDF-Politbarometer können sich über die Hälfte der Wähler eine solche Koalition vorstellen.
Etwas unbeliebter ist die Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen, die zwar nicht von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird, aber dennoch im Rennen ist. Bereits 2017 wurden Koalitionsgespräche zu diesem Bündnis geführt; damals ohne Erfolg, da die Parteien sich untereinander nicht einigen konnten. Am Ende ist die FDP ausgestiegen. Demnach ist es fraglich, ob die Koalitionsverhandlungen dieses Mal zu einem Ziel führen würden. Ein weiterer Kritikpunkt an dieser Koalition ist, dass die stärkste Partei, nämlich die SPD, dann nicht Teil der Regierung wäre. Damit würde man natürlich einen Großteil der Wählermeinungen missachten.
Beide Koalitionen sind bis zu diesem Zeitpunkt noch im Rennen, allerdings ist eine Ampel-Koalition wesentlich wahrscheinlicher, da die SPD stärkste Kraft ist und sich natürlich an der Regierung beteiligen möchte. Zusätzlich wäre Olaf Scholz als Kanzler beliebter als Armin Laschet. Für beide Koalitionen wäre es die erste Auflage im Bundestag und somit bleibt es spannend, ob so nach acht Jahren Große Koalition wirklich ein Richtungswechsel in der Politik stattfindet.
Bereits seit dem Wochenende finden Sondierungsgespräche zwischen den einzelnen Parteien statt. Dort haben im Moment die Grünen und die FDP die Oberhand, da beide Parteien sowohl Teil einer Ampel-Koalition, als auch einer Jamaika-Koalition wären. Ein Austausch findet also bereits statt, da keine der Parteien die Regierungsbildung in die Länge ziehen möchte. Außerdem folgt der wirklich entscheidende Teil dann erst bei den Koalitionsverhandlungen, wo es ums Eingemachte geht. Nun bleibt die Frage offen, wer mit den Grünen und der FDP am Ende regieren: Die SPD oder doch die Union? Doch bis es dort zu einem Ergebnis kommen wird, muss sich Deutschland wohl noch etwas gedulden.
(Dieser Artikel entstand direkt nach dem Bundestagswahl-Reportageseminar der JPN)
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