Sind sie genauso, wie sie im Fernsehen gezeigt werden? Oder ist doch nicht alles, wie es scheint? Wir waren bei der Wahlparty der Linken und haben Eindrücke gesammelt.
Am 26. September 2021 war es wieder so weit: Eine neue Bundesregierung wurde gewählt. Schon der Wahlkampf sorgte mächtig für Spannung, schließlich wurde auch ein*e neue*r Bundeskanzler*in gesucht. Gebannt saßen viele abends vor flackernden Bildschirmen, um die aktuellen Hochrechnungen mitzubekommen. In vielen Berichten standen die Wahlpartys der jeweiligen Parteien im Mittelpunkt, auf denen die Spitzenkandidaten*innen ihre Ansprachen hielten. Doch wie kann man sich eine Wahlparty überhaupt vorstellen?
Public Viewing in lockerer Atmosphäre
Eines muss man vorweg sagen: Wer der Meinung war, eine Wahlparty würde steif in feinem Zwirn und Sekt in der Hand ablaufen, wurde bei der Wahlparty der Linken eines Besseren belehrt. Die Atmosphäre war locker, was die Möglichkeit bot, sich mit anderen Politikinteressierten auszutauschen.
Wir gingen durch den Einlass und standen in einem hippen Biergarten mit Klappstühlen und -tischen. Anbei eine Bar mit Getränken und Imbiss für den großen und kleinen Hunger. Strandbar-Vibes mit Liegestühlen, selbstgemachter Limonade und ein Anblick, bei dem Botaniker feuchte Augen bekommen. All dies lieferte der Festsaal in Kreuzberg, die Location der Feier. Angrenzend zum Garten war ein großer Raum mit industriellem Kamin in der Mitte und aufgebauter Bühne mit Monitor. Hier und im daran anschließenden Hauptsaal wurden die Wahlergebnisse über Monitore live übertragen. Der Hauptsaal sah aus wie eine moderne Industriehalle. Zu Beginn wurden hier Eindrücke des Wahlkampfes in Form einer Diashow gezeigt. Auf einer großen Bühne, auf der normalerweise Konzerte stattfinden, stand ein Moderator und führte durch den Abend. Später hielten dort auch bekannte Parteigesichter wie Gregor Gysi, Susanne Henning-Wellsow, Dietmar Bartsch und Janine Wissler ihre Reden.
Oberflächlich gesehen kann man diese Wahlparty wohl mit einer Art „Public Viewing“ vergleichen. Zudem war es eine offene Veranstaltung nach dem Motto: „Wenn es voll ist, ist es voll“. Es durfte also jede*r rein, vorausgesetzt, er*sie war früh genug da. Die Wahlparty der CDU sah auf Bildern, die uns gezeigt wurden, deutlich schicker und formeller aus. Ebenso die der FDP, welche kurzzeitig auf einem der Monitore zu sehen war. Beides Wahlpartys mit streng festgelegter Gästeliste.
Kein Wahlergebnis zum Feiern
Die Linke hat die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft und konnte sich nur durch ihre drei Direktmandate einen Platz im Bundestag sichern. Von Anfang an wurde dort mit Verlusten gerechnet, weswegen die Stimmung deutlich angespannt war, wie eine Linke-Wählerin ihren Eindruck schilderte. Ein anderer Gast, Praktikant der Bundesgeschäftsstelle der Linken, beschrieb die Feier „wie die Ruhe vor dem Sturm“. Trotz der im Vorfeld veröffentlichten Prognosen waren sich viele Besucher*innen der Veranstaltung einig, dass sie so ein schlechtes Wahlergebnis nicht erwartet hätten. Ein Linke-Wähler versuchte sich das schlechte Wahlergebnis zu erklären: „Da hat der Deutsche Michel wieder zugeschlagen.“ Lag die Wahlniederlage also an den Leuten, die lediglich zu faul waren, um wählen zu gehen? Andere spekulierten, dass viele Linke-Wähler dieses Jahr die Grünen gewählt hätten, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen. Egal woran es im Endeffekt lag, die Frustration war fast allen anzusehen und immer weniger Leute hatten Lust, sich mit uns über das Wahlergebnis zu unterhalten.
EU-Pullis und Partyhüte
Nach der Wahlparty der Linken wollten wir gerne noch die Kleinstpartei Volt besuchen. Erst hatten wir Bedenken, ob dort überhaupt noch was los sei. Zu unserer Überraschung war der Irish Pub, in dem sie feierten, noch brechend voll. Draußen standen junge Leute in EU-Pullis mit einem Bier in der Hand und freuten sich über die 0,4 Prozent bei ihrer ersten Bundestagswahl.
Andere Mitglieder der Jungen Presse Niedersachsen waren bei der Satire-Partei „Die Partei“ zu Besuch. Sie berichteten vom lauten Bass, der die Wände vibrieren ließ, von spitzen Partyhüten und einer Tombola. Außerdem zeigten sie uns ein Video, auf dem Spitzenkandidatinnen einen selbstgeschriebenen Rap auf der Bühne performten. Also zum Vergleich eher eine Feier, bei der das Entertainment im Vordergrund stand und die gute Stimmung bestimmt noch lange anhielt.
Kommentar schreiben