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„Das Wasser kommt.“

Die Flutkatastrophe in NRW und Teilen von Rheinland-Pfalz ist nun schon zwei Jahre her. Die Bilder aus dem Ahrtal haben die mediale Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Jedoch sind auch andere Regionen durch das Tiefdruckgebiet „Bernd“ und die verheerenden Folgen stark getroffen worden.

Am 15. Juli jährte sich die verheerende Flutkatastrophe in NRW und Teilen von Rheinland-Pfalz nun zum zweiten Mal. Am bekanntesten sind da wohl die Bilder aus dem Ahrtal, die durch alle Medien gegangen sind. Am 14. Juli 2023 berichtet das ZDF heutejournal beispielsweise: „Die Flut im Ahrtal, vor zwei Jahren […]“ dabei war es nicht nur das Ahrtal. Allein in NRW waren 19 Städte und Landkreise von dem Hochwasser betroffen, das Ahrtal dagegen liegt in Rheinland-Pfalz. Ich möchte deshalb den Blick auf einen anderen Fluss werfen, der auch betroffen war, wenn auch nicht so schlimm, wie die Ahr.

Ich möchte über das Hochwasser der Wupper, im Juli 2021, berichten. Dieses habe ich am eigenen Leib mit erlebt. Die Wupper ist ein kleiner Fluss, der durchs Bergische Land, in NRW, fließt und in Leverkusen in den Rhein mündet. An jenem Mittwoch, dem 14. Juli 2021, gab es die ganze Nacht und den ganzen Tag über heftigsten Starkregen. Laut „24Rhein“ fielen an diesem Tag im Bergischen Land innerhalb von 24 Stunden ca. 100-150 l/m2 . Zum Vergleich: im Durchschnitt regnet es in NRW im ganzen Juli ca. 82 l/m2 . Man kann sich anhand dieser Zahlen wohl ungefähr vorstellen, wie heftig es geregnet haben muss, damit innerhalb von 24 Stunden mehr Regen fällt als normalerweise in einem ganzen Monat. 

Dass dann ein Fluss nicht in seinem Flussbett bleibt, bzw. die Gefahr besteht, dass Talsperren brechen (wie es im Ahrtal der Fall war) ist dann auch nicht mehr verwunderlich. Und so war das auch mit der Wupper. Es regnete und regnete und die Wupper füllte sich, genau wie die Kanalisationen, Bäche und Talsperren. Das Grundwasser stieg an und Keller wurden geflutet. Irgendwann gegen Nachmittag gab es die ersten Meldungen (und Videos) über Bäche, die über die Ufer traten. 

Abends bin ich mit meinen Eltern von Leverkusen (wo wir damals wohnten) nach Leichlingen gefahren, wo sich gerade unser Haus im Bau befand. Wir wollten schauen, ob an dem Tag baulich etwas passiert ist und das Haus vor Überschwemmungen sichern. Der Weg dorthin gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht. Denn ein Kreisverkehr im Leverkusener Stadtteil Opladen war bereits überflutet. Dort sind wir mit dem Auto noch durchgefahren. Dann kamen wir auch innerhalb von Leichlingen nicht mehr auf direktem Weg zum Haus, weil geflutete Straßen von Anwohnern mit Mülltonnen gesperrt wurden. Gegen 20:15 Uhr erreichten wir die Baustelle und wir konnten sehen, dass auf dem Parkplatz der Gärtnerei, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schon mindestens ein halber Meter Wasser stand. Außerdem waren bereits Feuerwehr und DLRG vor Ort, um den Betroffenen zu helfen und kurze Zeit später die Ortschaft zu evakuieren. Um 20:30 Uhr lief das Wasser wie in einem Bach über die Straße und den Weg neben unserem Grundstück runter. Auch unser Grundstück wurde langsam geflutet, sodass wir gegen 20:40 Uhr nach Hause fuhren, nachdem wir einige Baumaterialien auf die obere Etage getragen hatten.

Am nächsten Morgen, nach dem Aufwachen, konnte ich über Fotos auf den sozialen Medien sehen, welche Auswirkungen die Ereignisse in der Nacht angenommen hatten. Ich machte mein Rollo hoch und sah, dass unsere Straße wieder fast trocken war. Das zu sehen und zu wissen, dass ca. zwei Kilometer weiter die Straßen unter Wasser stehen und die Menschen gerade alles verloren haben, war für mich sehr surreal. Und da mein Arbeitsweg unter Wasser stand, musste ich einen kleinen Umweg zur Kita fahren. 

Nachmittags waren meine Großeltern und meine Oma bei uns. Denn beide Häuser waren auch betroffen und so kamen sie zunächst bei uns unter. Am Abend konnten meine Großeltern wieder nach Hause, weil das Wasser bei Ihnen weg war. Meine Oma konnte ein paar Tage später auch nach Hause, als der Strom in ihrer Wohnung zurück war.

Die DLRG Leichlingen (unterstützt von weiteren Ortsgruppen der Umgebung) war gemeinsam mit der Feuerwehr in der Nacht, und den Tagen danach, dauerhaft im Einsatz. So auch an der Neukirchenerstr., am Haus eines alten Ehepaares. Irgendwann in der Nacht hat dieses Haus zu brennen begonnen. Da auf dieser Straße das Wasser einen Meter hoch stand, konnte die Feuerwehr mit keinem Löschfahrzeug vorrücken. Stattdessen haben sie zunächst versucht, die Personen aus dem Haus zu retten und mit Booten aus der Gefahrenzone gebracht (der Mann ist leider im Haus verstorben) und dann wurde gegen Morgen mit Booten und Hubschraubern (diese holten mit Eimern Wasser aus dem nahegelegenen Freibad) das Haus gelöscht. Dieses Haus wurde ein paar Wochen später abgerissen. Heute ist das Grundstück zwar ordentlichumzäunt,aber leer.

Auch unser Haus in Leichlingen, das ungefähr 100 Meter vom Ufer der Wupper entfernt steht, wurde schwer beschädigt. Die Strömung der Wupper hatte das Haus fast vollständig unterspült, die Bodenplatte verbog sich, um wieder einen festen Stand zu bekommen, was dazu führte, dass die Wände auseinander brachen. Eine Woche nach dem Hochwasser wurde das Haus abgerissen und zwei Monate später begann der Wiederaufbau. Das Haus und konnte auf Kosten der Versicherung des Bauträgers zwei Monate später wieder aufgebaut werden. Trotzdem werde ich nie den Anblick der vielen (teilweise sehr dicken) Risse im Haus vergessen, die auf allen Seiten zu sehen waren.

Am Wochenende nach dem Hochwasser gab es einen Ansturm an Helfenden in der ganzen Stadt. Überall haben die haben Menschen mit angepackt, um die Häuser leer zu räumen, die Keller leer zu pumpen, den Schlamm aus den Häusern zu entfernen und manche haben auch Essen verteilt. Eine Pizzeria hat kostenlose Pizzen an die Helfenden ausgegeben.

Auch wir, innerhalb der DLRG Leichlingen Ausbildergruppe, haben uns verabredet, um (privat und in Zivil) zu helfen. Und ich wollte das in meiner neuen Nachbarschaft tun. So sind wir mit einem Bollerwagen mit Kaffee, Suppe und Brötchen, durch eine Ortschaft gelaufen und haben die Leute damit versorgt. Irgendwann wollte ich dann auch mit anpacken und bin in das Haus einer Nachbarin gegangen. Dort standen nur noch der Wohnzimmerschrank und die Küche im Erdgeschoss. Die Gläser im Schrank wurden ausgekippt, da sie noch mit Wupperwasser gefüllt waren und der Schrank dann nach draußen getragen. An den weißen Wänden, im Wohnzimmer, konnte man noch die Wasserlinie des Höchststandes auf der Wand sehen. Diese Linie befand sich auf ungefähr 1,50 Meter Höhe.

Ich erinnere mich noch, dass das Wochenende ein heißes Wochenende war. Neben Möbeln, die durch das schmutzige und schlammige Wasser unbenutzbar geworden waren, gab es auch Lebensmittel, die entsorgt werden mussten. Diese wurden auch an den Straßenrand gelegt. Wenn ich im Fernsehen die Bilder vom Aufräumen von Hochwassern sehe, bekomme ich sofort wieder diesen Geruch in die Nase.

Dank der Bauern der Umgebung konnte der Müll die ganzen Tage schon abgefahren werden. Ansonsten wären die Müllberge viel zu hoch gewesen, als dass man die Straße noch hätte befahren können. Die Bauern fuhren den Müll an eine Sammelstelle im Leichlinger Zentrum. Trotzdem waren die Müllberge meist ein bis zwei Meter hoch.

Nun ist es schon zwei Jahre her und in meiner Nachbarschaft wird der Jahrestag nun jährlich zum Feiern genutzt. Alles, was das Hochwasser mit sich gebracht hat, ist größtenteils überstanden und man schaut gemeinsam frohen Mutes in die Zukunft.

Jedoch sind in Leichlingen noch nicht alle Flutschäden behoben. Die Aula des städtischen Gymnasiums ist beispielsweise seit zwei Jahren geschlossen und muss noch komplett saniert werden. Auch die Paul-Klee-Schule (eine Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder), in Leichlingen, kann noch nicht in ihrem Schulgebäude unterrichten, da sie in ein neues Schulgebäude ziehen werden. Die Schule befand sich bis Juli 2021 direkt an der Wupper und wurde dann zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit von einem Wupperhochwasser getroffen (zuvor 2018), sodass man sich dazu entschieden hat, mit der Schule an einen anderen Ort zu ziehen. Aber die allermeisten privaten Haushalte sind wieder hergestellt, sodass die Leute wieder in ihren eigenen Wohnungen leben können.

Foto: Uwe Miserius

Lena Manderscheid

Lena Manderscheid ist 22 und wohnt in Leichlingen. Die Hochwasserkatastrophe vor zwei Jahren hat sie am eigenen Leib miterlebt und ärgert sich heute noch über die einseitige Berichterstattung, die nur über das Ahrtal geht.

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