Die Tür ist die Schwelle des Raumes. Möchte ich in mein Zimmer ein- oder ausgehen, muss ich durch sie hindurch. Die Mauer ist die Begrenzung meines Zimmers. Sie sichert mich nach außen hin ab, beschneidet aber auch meine Möglichkeit, mit der Welt in Kontakt zu treten. Das Fenster ist ein interessanter Gegenstand dazwischen: Ähnlich wie die Tür ermöglicht uns das Fenster eine Kommunikation nach außen und ähnlich wie eine Mauer beschränkt uns das Fenster auf unseren eigenen Raum. Das Fenster ist also eine Möglichkeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren, ohne hierbei den eigenen Standpunkt zu verlassen.
Das Fenster zeigt uns also unsere eigene Perspektivgebundenheit auf. Wir können die Außenwelt nur durch diese Perspektive, durch unser Fenster sehen. Zwar können wir den Kopf durch das Fenster stecken, aber mit unseren Füßen bleiben wir stets auf unserer Position bestehen. Das Fenster ist der Rahmen, durch den wir anderes wahrnehmen können. Die Offenheit kann aber auch beendet werden. Wir können das Fenster schließen, so zwar noch alles sehen, aber nicht mehr kommunizieren oder die Jalousie schließen und ganz für uns bleiben. So sind wir dann durch unsere Mauern eingesperrt und sehen nicht mehr, was um uns herum passiert.
Mittlerweile gibt es auch digitale Fenster. Auch hier gibt es diese Ambivalenz. Wir sind zwar räumlich auf einen winzigen Gegenstand beschränkt, können aber dadurch mit der ganzen Welt in Kontakt treten. Wir können hier mehr als nur ein Fenster öffnen und verschiedene Kontakte in aller Welt knüpfen. Gleichzeitig sind wir aber auf unseren Raum beschränkt. Auch wenn die Kontakte nach Kanada, Australien oder Japan reichen, sind wir letztlich allein. Das Fenster ermöglicht uns zwar das Sehen anderer Dinge, das Beobachten und die Kommunikation mit anderen Menschen, für eine Erfahrung und das Teilen gemeinsamer Erlebnisse ist aber das Öffnen der Tür und das Verlassen des eigenen Bereichs möglich.
Sinnbildlich hierfür steht das Aquarell Tischbeins, bei dem Goethe am Fenster der Wohnung der Malers bei seiner italienischen Reise steht und in die Welt blickt. Körperlich ist Goethe auf einen engen Raum beschränkt, er quetscht sich ans Fenster, um dem Licht und der Außenwelt entgegenblicken. Trotz der Weite des Blicks sehen wir auch die körperliche Beschränkung, die Enge.
Das Fenster symbolisiert für uns eine Sehnsucht nach dem Fremden. Wir sehen in einen Bereich, den wir nicht kontrollieren können, der uns aber anzieht und begeistert. Gerade in diesen Zeiter sollten wir wieder mehr rausschauen. Rechtsextreme versuchen uns hinter Mauern einsperren, indem sie eine Homogenität vorgaukeln. Sie geben uns ein Zimmer vor, das wir sehen wollen. Alles andere soll zum Verstummen gebracht werden. Daraus entsteht aber kein Gewinn: Ich lerne die Welt nicht besser kennen, wenn ich mich nur in meinem Zimmer aufhalte, alle Fenster schließe und die Jalousie schließe. Im Gegenteil: Mein Zimmer wird dunkler und ich kann weniger sehen. Versuchen wir also, unsere Fenster zu öffnen, lassen wir das Licht in unsere Zimmer und schauen fasziniert nach draußen.
Foto: https://www.pexels.com/de-de/foto/blick-aus-dem-glasfenster-5932299/
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