Mitte Mai wurde das Video „Die Zerstörung der CDU“ des Youtubers Rezo millionenfach geklickt, kurz vor der Europawahl. Das traf die Partei unvorbereitet. Zuerst sollte Philipp Amthor, mit 26 Jahren jüngster Abgeordneter der CDU, mit einem Video antworten. Allerdings entschied sich die Parteispitze um und veröffentliche lieber einen elfseitigen Antwortbrief auf der Homepage der CDU. Doch warum hat die CDU auf das Rezo-Video so dermaßen unbeholfen reagiert? Würde das bei anderen Parteien auch so aussehen? Und wann gewöhnt sich die politische Landschaft daran, dass Social Media im öffentlichen Diskurs eine bedeutende Rolle spielt?
Politisches Influencermarketing
Thilo Kunzemann vom Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments in Berlin arbeitet für die „Diesmal wähle ich“-Kampagne der EU. Bei unserem Besuch lernen wir das Kampagnenteam kennen. Uns interessiert, wie das Parlament die Wahlbeteiligung erhöhen will. Kunzemann erzählt, dass es immer schwieriger würde, das Thema Europa mit klassischen Medien an Jugendliche zu bringen. Die Wahlbeteiligung der 18- bis 24-Jährigen liegt laut Angaben des Europäischen Parlaments nur noch bei 29 Prozent. Deshalb versucht die Kampagne gezielt auf Jugendliche zuzugehen, unter anderem über Facebook oder Instagram.
Eine Aktion bestand darin, dass Instagram-NutzerInnen ein Foto mit einem „Diesmal wähle ich“-Sticker machen und posten. Um die Aktion bekannt zu machen, wurden InfluencerInnen angefragt, ob sie bereit wären, pro-europäische Werbung zu machen. Dies gestaltete sich aber als gar nicht so einfach, sagt Kunzemann, da an diese InfluencerInnen verschiedene Anforderungen gestellt wurden. Zum einen durften sie natürlich keinen fragwürdigen Content produzieren, und zum anderen sollten sie sich in der Vergangenheit bereits pro-europäisch geäußert haben. Die Kampagne hat kein großes Budget, sodass die InfluencerInnen kein Honorar für die Werbung bekommen konnten. Auch wollen sich viele InfluencerInnen gerne aus der Politik raushalten. Doch kurz vor der Wahl änderte sich dies schlagartig. Erst veröffentliche Rezo sein Video und wenige Tage später folgte dann ein Statement von mehr als 70 YoutuberInnen. Doch warum war die CDU so schlecht vorbereitet?
Erfahrungsmangel bei der CDU
Wenn man sich anschaut, wie die CDU in der Vergangenheit mit Social Media umgegangen ist, wird deutlich: Der Partei mangelt es schlichtweg an Erfahrung. Ein Blick zurück auf die Urheberrechts-Debatte und insbesondere auf Politiker wie Axel Voss, die sich immer wieder mit verschiedenen unglücklichen Statements in die Diskussion einbringen, unterstreicht den Eindruck.
Auch das Verbindungsbüro des Europäischen Parlaments ist in den sozialen Medien vertreten: Sie hat eine Facebook- und Instagram Seite. Jedoch hätten die nur wenige Follower, sagt Kunzemann, und mit so wenigen Followern könne man nicht gegen die Flut von Fehlinformationen ankämpfen, die täglich ins Netz gestellt werden.
Die SPD ist weiter
Doch vielleicht besteht noch Hoffnung für die CDU. Es wurde viel verschlafen, wenn es um die Interessen der Jugendlichen geht. Aber nach und nach wagt sich die Partei mit ersten zögerlichen Schritten in die Welt von Social Media – auch, wenn die noch sehr holperig wirken. Andere Parteien, wie zum Beispiel die SPD, sind da schon weiter. Sie haben mit dem Europa-Abgeordneten Tiemo Wölken, der einen Youtube-Kanal mit mehreren zehntausend AbonnentInnen hat, bereits erste gute Anfänge gemacht. Der 33-jährige vloggt über seine Erfahrungen aus dem EU-Parlament und hat sich so eine große und junge Online-Gefolgschaft aufgebaut. Dies ist auch wichtig, denn: Ob die politischen Parteien wollen oder nicht, Social Media ist als Plattform, um öffentliche Diskussionen zu führen und auch WählerInnen zu gewinnen, nicht mehr wegzudenken. Social Media ist gekommen, um zu bleiben.
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