Volker Petri hat nie selber geschrieben. „Ich sorge lieber dafür, dass die richtigen Sachen verkauft werden“, sagt er, als er sich uns vorstellt.
Doch er kennt die Krimiliteraturszene außerordentlich gut: Petri ist Vertriebsleiter einer hannoverschen Decius-Filiale und organisiert das Krimifest Hannover. Ein Thema beschäftigt AutorInnen wie BuchhändlerInnen schon seit Längerem: Der Markt für Kriminalliteratur wird dünner, die Nachfrage sinkt. Gerade unbekannte AutorInnen leiden darunter, weiß Petri: „Unbekannte AutorInnen können gut sein, sie locken aber nicht. Das ist ein Riesenproblem. Die LeserInnen kennen AutorInnen wie Rita Falk und sehen, die hat was Neues geschrieben. Entweder kaufen sie das oder etwas mit einem ähnlichen Cover.“
Krimis sind beliebt
Trotz des immer bunter werdenden Krimi-Genres, das sich längst vom klassischen Detektivroman gelöst hat, zentriere sich die Nachfrage auf ein paar wenige Schreibende. Dabei gibt es kaum ein Genre, das in Büchern, Filmen oder Serien so beliebt ist wie der Krimi – egal ob Psychothriller, Regionalkrimi oder die typische ErmittlerInnengeschichte. Petri hat eine Vermutung, warum das so ist: „Das große Thema ist der Thrill, selbst nicht betroffen zu sein. Die Distanz dazu, der voyeuristische Blick, die dunkle Seite in uns.“ Dass das Publikum Spaß am Morbiden hat, ist offensichtlich: Beispielsweise schalten jeden Sonntag um die 10 Millionen ZuschauerInnen beim Tatort oder Polizeiruf ein. Doch es gibt entscheidende Unterschiede zwischen Büchern und TV-Krimis: „Ein Film abends um halb zehn heißt, ich muss nicht nachdenken“, sagt Petri.
Kleine Buchandlungen werden verdrängt
Für die Bücher und kleinen Buchhandlungen sieht es laut des Europäischen Verlegerverbands nicht rosig aus: Obwohl 2016 unabhängige Händler 90 Prozent des Marktes ausmachten, strichen die restlichen 10 Prozent zwei Drittel des Umsatzes ein. Zudem wächst der E-Book-Markt rasant, wobei die Preise pro E-Book weiter sinken. Der Trend zu E-Book, Onlineshopping und Streaming-Angeboten wie Netflix schaden dem lokalen Buchhandel. Die VerbraucherInnen können jederzeit konsumieren, was sie möchten, und bezahlen dafür immer weniger. Jeder kann sich jederzeit berieseln lassen. Und ein Buch in die Hand zu nehmen und durchzulesen, ist gerade für junge Leute eine zu große Hürde, um sich wohlig zu gruseln – eine Serie kann man auch nebenbei schauen und in kleinen Häppchen genießen. Laut Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung ist die Kaufbereitschaft der jungen Zielgruppe im Buchhandel von 2011 bis 2016 um 32 Prozent gesunken. Petri findet diese Entwicklung fatal: „Kultur muss Geld kosten. In zehn Jahren wird es das Leitmedium Buch so nicht mehr geben.“ Bücher würden teurer werden und es werde in Zukunft weniger Auswahl geben, so seine Prognose.
Events sollen locken
Wie will die Branche dieser Entwicklung entgegenwirken? Petris Ansatz ist der Erlebnischarakter von Events wie dem Krimifest, bei dem es Lesungen von größtenteils regionalen AutorInnen an interessanten Orten in Hannover gibt. „Die Menschen müssen niedrigschwellig ans Lesen herangeführt werden.“ So veranstaltet er in diesem Rahmen etwa Wohnzimmerlesungen bei Fertighausführungen oder Lesungen auf speziellen U-Bahn-Fahrten. „Die Gesellschaft eventisiert sich“, sagt er. Je digitaler die Welt, desto wichtiger seien reale Treffen, das sei in der Musik so wie in der Literatur. Die Hauptfrage für ihn ist, wie er die Menschen dazu bringt, ihre Hemmschwelle zu überwinden und sich auf Neues einzulassen. Wichtig dabei sei, die neuen Entwicklungen wie E-Books mit einzubinden, anstatt sie zu ignorieren. Letztendlich müssten die Menschen bereit sein, für das zu zahlen, was sie gerne mögen. „Umsatz ist materialistische Zuneigung“, stellt Petri fest. Nicht zu unterschätzen sei außerdem der für den Buchhandel nützliche Trend hin zum Regionalkrimi. Dadurch entwickle sich eine LeserInnen-Basis vor Ort, die eher geneigt ist, auch unbekannten AutorInnen eine Chance zu geben, so der Vetriebsleiter. Sicher ist: Der Krimi als Genre wird so schnell nicht aussterben. Wenn außerdem noch ein Bewusstsein dafür aufkommt, dass der Laden um die Ecke KundInnen dringender braucht als Amazon, wird auch die Bücherlandschaft weiterhin spannend bleiben.
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