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Das Handwerk und die Fantasie

Was braucht man, um in der umkämpften Synchronbranche bestehen zu können? Antworten auf diese Frage geben uns die beiden bekannten Synchronsprecher Santiago Ziesmer und Hans-Georg Panczak.

Wenn Santiago Ziesmer spricht, taucht man augenblicklich in die Zeichentrickfilme seiner Kindheit ein. Denn seine markante Stimme klingt für mich immer ein bisschen nach Spongebob. Selbst dann, wenn er sie gerade nicht verstellt, um genau wie der gelbe Schwamm zu sprechen. Ziesmer ist die deutsche Stimme von Spongebob Schwammkopf und ich bin nicht die einzige Person, die sichüberfordert fühlt, wenn er spricht.

Hans-Georg Panczak wird von seinen Fans vor allem als die deutsche Stimme von Luke Skywalker aus Star Wars gefeiert. Obwohl er noch nie ein Laserschwert geschwungen hat, ist er für viele ein Held.

Keine enge Bindung zu den eigenen Rollen

Panczak erzählt, dass er, während er eine Figur synchronisiert, keine besondere Beziehung zu dem Charakter entwickelt. So war das auch bei Mark Hamill, für den seine Rolle als Luke Skywalker den Internationalen Durchbruch bedeutete. Das liegt unter anderem daran, dass besonders bei Blockbustern wie Star Wars vor dem Release des Films kein Filmmaterial an die Öffentlichkeit gelangen darf. Während Panczak in der Kabine steht und Take für Take Luke Skywalker seine Stimme verleiht, ist das Bild, was er vor sich sieht, so verdunkelt, dass er nur den Mund und die Lippenbewegungen erkennen kann. Szenen, in denen Luke nicht vorkommt oder in denen er nicht spricht, bekommt Panczak gar nicht erst zu sehen. Was in den Filmen passiert,  muss er sich während des Synchronisieres also selbst zusammenreimen. Er erzählt, dass er sich zur Vorbereitung auf die Jedi-Con in Düsseldorf (2014) die Filme angesehen habe und von den Reaktionen der Fans zutiefst gerührt war. Das Publikum verbindet Panczaks Stimme in einem ganz anderen Maß mit der Figur, als der langjährige Synchronsprecher selbst es tut. Sie schauen die Filme, identifizieren sich mit Luke, nehmen sich ihn zum Vorbild und feiern ihn als Helden. Wenn ich mir einen Film anschaue, dann weiß ich natürlich, dass die Schauspieler*innen nicht deutsch sprechen, aber die Illusion funktioniert trotzdem. Das Wissen hält einen nicht davon ab, trotzdem mit den Figuren mitzufühlen, ihnen gespannt dabei zuzusehen, wie sie handeln und ihnen das Beste oder das Schlimmste zu wünschen.

Auch Santiago Ziesmer freut sich immer wieder über den Kontakt zu seinen Fans, der in dieser Form früher noch nicht möglich gewesen wäre. Häufig drehen sich Taxifahrer*innen um, wenn sich Ziesmer auf die Rückbank setzt oder er wird von Kindern angesprochen. Dann albert Ziesmer gerne herum in seiner Spongebob-Stimme, macht Fotos, spricht Anrufbeantworteraufnahmen und erklärt einem, wie das mit dem Synchronsprechen eigentlich funktioniert.

Die Branche ist schnellebiger geworden

Ziesmer und Panczak sehen beide einen Wandel in der Branche. So erzählt Panczak, dass früher alles analog zuging und man deutlich mehr Zeit hatte, während des Bandwechsels nach jedem Take (Takes sind vier bis zehn Sekunden lange Abschnitte, die nacheinander synchronisiert werden) wurde Skat gespielt und es gab auch sonst immer Zeit für Unterhaltungen und Spaß in der Schallkabine. Inzwischen liefen die Vorgänge digital ab und professionelle Synchronsprecher*innen müssten in einer bestimmten Zeit eine hohe Menge an Takes „abliefern“. Um Zeit einzusparen, bevorzuge die Regie auch gerne mal einen mittelmäßigen Take, weil man dafür die wirklich wenige Zeit aufspare, berichtet Panczak. Die Geschwindigkeit in der Produktion habe sich vervielfacht. Termine müssten schnell gefunden werden und in der Regel würden die Synchronsprecher*innen nicht mehr wie früher im Ensemble in der Kabine einsprechen, sondern einzeln aufgenommen. Erst im Nachhinein werden die Takes von den Cutter*innen zusammengeführt. Beim Synchronsprechen müssten daher alle Getriebe gut eingespielt sein. Bei einer Produktion sind in der Regel ein/e Sprecher*in, ein/e Regisseur*in, ein/e Cutter*in sowie ein/e Tontechniker*in beteiligt. Jeder hat seinen fest definierten Aufgabenbereich, um Fehler bei den Aufnahmen zu verhindern. Dazu zählen sogenannte „Spuckerisse“ (Schmatzgeräusche) in der Aufnahme.

Werner Wilkening ist Synchron- und vor allem Hörspielsprecher. Wilkening hat sich zuhause ein Tonstudio aufgebaut. Anders als die meisten Sprecher*innen pendelt er also nicht, sondern spricht von zu Hause aus ein, schneidet selbst und versendet dann die fertige Datei. Im Vergleich zum Synchronsprechen, habe man beim Hörbuch oder Hörspiel viel mehr Freiheiten, hebt Wilkening hervor.

Werner Wilkening leiht in seinem Tonstudio Professor van Berg im Hörspiel „Der Mord auf Zimmer 155“ seine Stimme | Foto: Hildesheimer Allgemeine Zeitung

Daher sei eine besonders gute Vorbereitung wichtig. Zum Beispiel durch eine grammatische Analyse, Markierungen im Text und dadurch, dass man sich vorher überlegt, wie die Stimmen funktionieren. Als Erzähler sei man gewissermaßen wie eine Kamera und stelle sich die Situation konkret bildlich vor. Ziesmer stimmt ihm zu; Man nehme den Zuschauer an die Hand und führt ihn durch das Labyrinth einer Geschichte. Man erspüre Stimmungen und die Atmosphäre und entwickelt mit etwas Zeit eine Intuition für den Text, erklärt Wilkening. Beide sind sich einig; Beim Sprechen verbindet man „Kopf und Bauch“, das Handwerk und die Fantasie.

Fotos von Athena Macke

Eylem Cetik

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