Beim Korrespondenten-Talk zur US-Wahl sprachen wir mit Tomasz Lejman, Deutschland-Korrespondent für das polnische TV Polsat und Interia.pl sowie mit Christopher Wittich, Moderator von RTL Aktuell, ehemaliger US-Korrespondent und Chefredakteur des RTL Studios in Washington, D.C.. Beide Journalisten verfolgten intensiv den Wahlkampf in den USA, zeitweise auch direkt vor Ort. Im Gespräch berichteten sie über ihre Eindrücke und Einschätzungen zur Präsidentschaftswahl, zum Ergebnis und auch zu den möglichen Folgen.
Entgegen allen deutschen und auch nordamerikanischen Prognosen hat Donald Trump im November 2024 die Wahl gewonnen und wird ab Januar 2025 offiziell der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein. In den USA gibt es einen Unterschied zwischen dem sogenannten Electoral College und dem Popular Vote. Interessant bei dieser Wahl ist, dass Donald Trump nicht nur durch Stimmen des Electoral Colleges gewonnen hat, sondern auch den Popular Vote klar für sich entschied. Das war den Republikaner*innen zuletzt 2004 gelungen. Woher kommt also diese deutlich positivere Positionierung der US-Amerikaner*innen Trump gegenüber? Christopher Wittich vermutet: „Trump hat es geschafft, für jede Gruppe einen Punkt zu finden, der sie anspricht“. Eine große Rolle haben seiner Meinung nach die konservativen Christ*innen in den USA gespielt. Diese sind in vielen unterschiedlichen Gruppierungen vertreten: Sehr stark unter den weißen Evangelikalen, aber auch unter der größtenteils katholischen hispanischen Gemeinschaft. Trumps Rhetorik zielt auf eben diese Menschen ab. Gerade deshalb ist in seiner Art des Wahlkampfes immer wieder zu beobachten, dass er sich als gottgesandten, von einer höheren Macht beauftragten Auserwählten präsentiert. Hinzu kommt, dass viele dieser besonders konservativen Evangelikalen eine Frau als Präsidentin nicht akzeptieren würden. „Wäre Harris ein Mann gewesen, hätte sie bessere Chancen gehabt“, so Wittich.
Auf die Frage, ob Kandidatin Kamala Harris etwas hätte anders machen können, meint Wittich: „Harris konnte sich nicht in ausreichendem Maße von ihrem Vorgänger Biden distanzieren. Schon in den vergangenen vier Jahren als Vizepräsidentin hat sie die Punkte, für die sie warb, nicht umgesetzt“. Dazu zählen beispielsweise ihr Vorschlag einer kostenlosen Kinderbetreuung, wirtschaftliche Chancengleichheit und die Stabilisierung der Migrationslage in Zentralamerika. Thomasz Lejman fügt hinzu, dass Harris es nicht geschafft habe, Argumente einzubringen, die gegen Trumps Wahlkampf angekommen wären. „Abtreibung ist zum Beispiel ein sehr wichtiges Thema, doch für die Amerikaner hat es einen sehr viel geringeren Stellenwert als andere Themen […] Die Menschen dort ticken einfach anders“, bemerkt er. Das trifft natürlich nicht auf die Allgemeinheit zu. Dennoch spiegelt das Wahlergebnis diese Einschätzung wider. Auch, wenn viele ihr politisches Lager in den USA nicht einmal für eine Präsidentschaftswahl verlassen würden, so hat der Aspekt der Wirtschaft doch einige dazu bewegt, ihre Stimme im Jahr 2024 den Republikaner*innen zu geben. Das erscheint zunächst unlogisch, da Präsident Joe Biden in seiner Amtsperiode viele wirtschaftliche Erfolge erzielen konnte. Wittich erklärt: „Das Problem ist, dass die Amerikaner in ihrer Tasche davon jetzt noch nicht viel merken“. Das Ergebnis der Maßnahmen Bidens wäre laut seiner Einschätzung erst in den nächsten Jahren spürbar geworden. Wie es nun mit der Wirtschaft unter Trump weitergeht, bleibt fraglich. Denn die Amerikaner*innen erhoffen sich mit ihm als Präsidenten ein stabileres und besseres Einkommen und eine niedrigere Besteuerung. Vermutlich wird Trump mit seinen Plänen allerdings Bidens Errungenschaften zunichte machen. Genau das könnte das Gegenteil dessen bewirken, was sich die Menschen in den USA von einer republikanischen Regierung erhoffen.
Die Gründe für Trumps Sieg sind vielfältig. Beide Journalisten, Wittich und Lejman, sprechen neben der politischen Argumentation von der Polarisierung U.S.-amerikanischer Berichterstattung. In der Medienlandschaft gelten insbesondere FOX News als republikanisch und CNN als demokratisch ausgerichtete Sender. Inhalte popularisierten gezielt jeweils Trump oder Harris und ließen teilweise sogar Informationen aus. Da die Zuschauer*innenschaft den politischen Ausrichtungen der Sender entspricht, gab es zumindest bei einem relevanten Teil dieser Menschen kaum mediale Berührungspunkte mit der Gegenseite. „Auch wenn ich für einen privaten Sender arbeite, zeigt das wieder die Relevanz unserer Öffentlich-Rechtlichen, die es so in den USA nicht gibt“, stellt Wittich fest.
Zum Schluss ziehen Tomasz Lejman und Christopher Wittich Bilanz. Seit Wittich Trump das letzte Mal auf einer Wahlkampfveranstaltung sah, habe er abgenommen und sehe müde aus – zumindest auf Bildern. „So etwas zehrt ja auch an den Nerven. Man trifft dort tagtäglich schwerwiegende Entscheidungen“. Wie sich diese Entscheidungen auf Deutschland auswirken könnten, schlussfolgert Lejman in einer Prognose: „Mit Scholz wird er nicht reden“ und „Er wird keine Kompromisse machen. Er mag Deutschland einfach nicht“.
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