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Janboris Rätz – Eine Vision von Akzeptanz und Sichtbarkeit

Von einem aufgeweckten Menschen im regenbogenfarbenen Mantel werden wir freundlich begrüßt. Mit seiner lockeren Art und seinem präsenten Auftreten macht er direkt neugierig auf seine Geschichte. Prompt fragt er: „Soll ich bei Adam und Eva anfangen?“ Bereits bei der Begrüßung ist uns klar: Janboris, den wir direkt duzen dürfen, hat eine Botschaft zu vermitteln.

Im Rahmen unseres Fernsehseminars im September 2022 dürfen wir dem Südwestrundfunk-Studio in Mainz einen Besuch abstatten. Empfangen und herumgeführt werden wir vom Moderator Janboris Rätz, dem für Innovationen zuständigen Janek Rauhe und dem Redakteur der Landessenderdirektion Rheinland-Pfalz Daniel Bouhs.

Vor allem das Stehen im Rampenlicht, die Distanzierung von verstaubten Rollenbildern und das Aufzeigen von Vielfalt – Diversity – sind Themen, die Janboris schon sein ganzes Leben lang beschäftigen. Janboris Rätz ist seit Juli 2015 Moderator der TV-Sendung SWR Landesschau Aktuell Rheinland-Pfalz. Im Baden-Württembergischen Reutlingen aufgewachsen, begann er beim Regionalsender Reutlingen und seit 1997 arbeitet er in der Fernsehbranche. Aus seiner Heimat trieb es den jungen Journalisten für 15 Jahre nach Brüssel, wo er unter anderem für das ZDF arbeitete. Vor seiner jetzigen Moderatorenrolle war er für die SWR-Wirtschaftsredaktion tätig. Abgesehen von der harten Arbeit und der kontinuierlichen Optimierung seiner Performance, die hinter seiner Karriere stecken, teilt er uns nur mit: „Bei mir war es echt Zufall.“

Lasst euch nicht verbiegen. Ich habe es selbst gemacht.“

betont Janboris .

Janboris´ Platz zwischen den Geschlechtern

Eine traurige, aber wahre Tatsache ist, dass zu einem derartig öffentlichkeitswirksamen Beruf immer auch eine gewisse Normvorstellung des Publikums befriedigt werden muss. Nicht auf dem Bildschirm zu sehen ist Janboris‘ Kampf um die Identitätsfindung. Er berichtet von seiner jahrelangen Therapie, in der er sich unter anderem hart erarbeiten musste, was eigentlich für uns alle selbstverständlich sein sollte: Seinen Platz zwischen den Geschlechtern. Janboris hat sich als Nonbinarität nach außen kommuniziert. Das, was schon sein ganzes Leben ein Teil von ihm war, hat nun einen Namen bekommen. Mit seiner Stimme möchte er die Zeichen setzen, die in einem derartig konservativen Rahmen wie dem (süddeutschen) Fernsehen geradeso nicht auf Ablehnung stoßen. Er, der vom Großteil der Gesellschaft als männlich gelesen wird, hält seine Moderationskarten in Händen, deren Nägel – man kann es kaum glauben – bunt sind.

„WAS? Ein Mann, der sich die Nägel lackiert hat? Kein Karneval, keine Ironie? Wo sind wir denn hier? Was man sich heutzutage nicht alles ansehen muss im alt bekannten, wohlig vertrauten Fernsehen!“ So oder so ähnlich sind wohl die Gedanken von konservativen Zuschauenden, die ihr eigenes Weltbild in Frage gestellt sehen. Umso wichtiger die Begegnung mit Diversität auf dem Weg zu mehr Toleranz und Freiheit für alle, wie auch die nachfolgende Anekdote sehr eindrücklich zeigt.

Janboris berichtet von einer Begegnung in der Fußgängerzone. Die Mutter eines non-binären Kindes erkannte ihn als Nachrichtensprecher, sprach ihn an und berichtete von den Sorgen um ihren Sohn und seine Zukunft als nicht-heterosexueller Cis-Mann. Als sie dann Janboris mit blau lackierten Nägeln auf dem Fernsehbildschirm erblickte, ergriff sie eine Welle der Erleichterung und sie schöpfte Hoffnung, dass ihr Kind nun doch mehr Vorbilder haben sollte, als bisher gedacht. Nicht nur sie hatte beim Erzählen der Geschichte Tränen in den Augen, auch Janboris ließ sie damit nicht ganz unberührt. Gerade solche Begegnungen zeigen ihm, wie wichtig seine Aufklärungsarbeit ist.

Geht ins On!

Janboris ist es merklich ein Anliegen, dass auch andere junge Menschen nach draußen gehen und ihre eigene Identität angstfrei zeigen. „Geht ins On“ sagt er uns und gesteht: „Ich hab damals noch gedacht, ich brauch nen Fernsehsender.“ Heutzutage sei es doch aber viel leichter: Jede*r könne seine Message auf Instagram oder sonst wo teilen und verbreiten. Auch Janboris macht sich diese Plattformen der digitalen Reichweite mit seinem Podcast (gemeinsam mit Fatma Mittler-Solak) „Die Türkin und das Queer“, seinem YouTube Channel „Janboris Rätz“ und seinem Instagram-Profil „janborisineinemwort“ zunutze. Zu seiner Einstellung als Moderator beim SWR sei „Reichweite nicht ganz unerheblich für die Entscheidung“ gewesen sagt er und betont damit die Wichtigkeit der Social-Media-Präsenz, wenn man in der Öffentlichkeit steht.

Beim Fernsehen machte er viele verschiedene Erfahrungen, was Akzeptanz und Offenheit angeht: Teilweise wurde ihm Verständnis entgegengebracht, teilweise stieß er auf Unverständnis. Manchmal war es okay, manchmal einfach nur nervig. Aufgrund der traditionellen Prägung des SWR gab es stets sehr direktes Feedback: Lenkt das Äußere wohl zu sehr von der eigentlichen Nachricht ab? Sind die Nachrichten der richtige Ort für gesellschaftspolitische Symbolsetzung? Doch für Janboris ist es genau diese Nachricht neben den Nachrichten, die zählt: Unsere Augen sind bestimmte Bilder gewohnt, von denen es sich lohnt auch einmal abzuweichen. Janboris musste und muss viel erklären. „Mal perlt es ab, mal eben nicht.“ Er macht das zwar gern und scheut den Begegnungen nicht, doch er sagt auch:

Letztlich möchte ich doch nur die Person sein, die ich bin.“

Trotz der stetigen Diskussionen und auch Ablehnungen, die einem in der Diversity-Debatte entgegengeschleudert wird, möchte Janboris die Veränderung aktiv vorantreiben. Er betont, dass es ihm nicht nur um die Queer-Community geht, sondern auch um Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen, die normalerweise in Deutschland keine Stimme bekommen. Er findet es erschreckend, dass Rollstuhlfahrer für Reportagen meist nur befragt werden, wenn der Bordstein zu hoch ist. Sie hätten auch zu anderen Themen eine Meinung. Er ermutigt uns: Wenn man ein Praktikum beim Fernsehen oder einer größeren Medienagentur möchte und erst einmal auf Ablehnung stößt aufgrund von Sexualität, Herkunft, Behinderung oder sonstigem, dann sollte man hartnäckig bleiben und im Zweifel immer die Gleichstellungsbeauftragten kontaktieren.

Man muss dafür kämpfen, es braucht den Nachdruck. Das was du hast, ist nicht deine Schwäche, sondern deine Stärke.“

betont Janboris.

Diversity muss sich in Handlungen widerspiegeln

Auch der SWR muss sich in dieser Hinsicht trotz Janboris als Aushängeschild noch an die eigene Nase fassen. Dies gilt auf der praktischen sowie auf der programmatischen Ebene. Beispielsweise ist das Fernsehstudio zwar technisch sehr modern, aber nicht barrierefrei. Diversity darf eben nicht nur der Punkt auf der Themenliste sein, der abgehakt werden muss, sondern auch bei rein praktischen Dingen wie beispielsweise dem Studiobau muss mitgedacht werden. Bezüglich der Zuschauendenschaft gibt Janboris ein ernüchterndes Statement ab: „Bei den 60-80-Jährigen wird die Nachricht nicht mehr ankommen.“ Nun seien die jungen Leute angehalten, die Zukunft mitzugestalten. Janboris sagt entschlossen: „Die Urgency liegt für mich jetzt auf dem Tisch.“ Es reicht eben nicht, über Diversity zu reden, sondern sie muss sich auch in unseren Handlungen widerspiegeln.

Die Rollenbilder, die durch unsere patriarchal geprägten Strukturen in jeder Branche zu finden sind, gilt es abzubauen. Gerade im Fernsehen ist es häufig nicht die Ablehnung der Zuschauenden, sondern schiere Sehgewohnheit, auf die erstmalige Ablehnung oder Verwunderung zurückzuführen ist. Es lohnt sich also, Vertrauen in das Publikum zu setzen. Es gilt dafür zu sensibilisieren, dass Frauen, Männer, Non-Binäre, Menschen mit Behinderung, mit Migrationshintergrund und Menschen mit nicht-konformen Eigenheiten mit der gleichen Ausbildung und den gleichen Fähigkeiten unabhängig von der Hautfarbe gleich zu behandeln sind – vor und hinter der Kulisse.

Karola Frenz

Karola Frenz ist 22 Jahre alt und studiert aktuell Rechtswissenschaften. Dieser Text ist im Rahmen des Fernsehseminars im September 2022 entstanden, bei dem Karola als Teilnehmende dabei war.

Kommentare

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  • Ich, 64 jährige Rentnerin hatte vor Monate einen kurzen Kontakt mit Jan Boris . Das offen und zugewandte Wesen fand ich sehr angenehm. Solche bunte Menschen sind eine Bereicherung für uns alle, und sollten auch so wahrgenommen und geschätzt werden. Weiter so, dunkel Menschen gibt es leider schon genug.

  • Jan Boris Rätz ist ein sehr netter, freundlicher Mensch von dem ich gerne Nachrichten im SWR sehe und höre.
    Die farbigen Fingernägel waren für mich und meinen Mann eine angenehme Erscheinung meist passend dazu hatte er die Kleidung gewählt. Seit einiger Zeit sieht man ihn nur in grauem Sakko und mit Klarlack behandelte Fingernägel.
    Hat er ein Verbot bekommen farbige Inputs setzen zu dürfen?
    Ich bin 69 Jahre alt und ich vermisse sehr die bunten Inputs.

    • Guten Abend! Vielen lieben Dank für Ihre schöne und zugewandte Nachricht, über die ich mich sehr gefreut habe.
      Es ist tatsächlich so, dass der SWR möchte, dass wir Moderator*innen auf sichtbar lackierte Nägel verzichten und uns künftig dezent und so kleiden, dass nichts von den Inhalten ablenkt. Queere Sichtbarkeit soll aber gleichzeitig möglich sein. In diesem Prozess, da irgendwie einen gemeinsamen Nenner zu finden, befinden wir uns grade. Das ist nicht immer einfach und es knirscht da teilweise sehr. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden und ich Ihnen bald wieder farbenfroher die Nachrichten präsentieren kann. Ganz liebe Grüße Janboris

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